Man muss nicht Dr. Einstein sein, um zu wissen, dass Zeit relativ ist. Und um sie zu kontrollieren, muss man nicht Dr. Strange heissen.
Auch wenn es des berühmtesten Doktors der Schweiz bedurfte, um es nachzuweisen, im Grunde weiss es jeder ganz genau: Zeit ist relativ. Wenn du auf die Pausenklingel in der Schule wartest, wenn du auf dem Flughafen oder in einem Meeting feststeckst oder wenn du im Krankenhaus in den Wehen liegst, kann sich jede Sekunde wie eine Ewigkeit anfühlen. Verbringst du aber deine Ferien in einem mediterranen Paradies, bist dabei, wie deine Kinder ihr Abitur verliehen bekommen oder wenn du auch nichts weiter tust, als einen stinknormalen Tag in unserer Tech-saturierten Welt zu verleben, verstreicht die Zeit keineswegs mit derselben Geschwindigkeit. Du bist natürlich kein Marvel Superheld, aber kannst du sie trotzdem kontrollieren?
Kurz gesagt: Ja!
Tatsächlich gibt es viele Möglichkeiten, die Zeit auf ganz alltägliche oder auch sehr extreme Weise zu kontrollieren. Man kann zum Beispiel einfach Tagebuch führen oder mehr Dinge tun, an denen man Spass hat. Und diese zeitraubenden Geschäftssitzungen liessen sich ganz leicht dadurch abschaffen, dass man sich selbständig macht. Natürlich kann man auch auf einen Berg klettern, denn bedenke: in grossen Höhen verstreicht die Zeit langsamer. Oder ganz extrem, man könnte 40 Tage in einer dunklen Höhle zubringen, wie es der französisch-schweizerische Forscher Christian Clot tat.
Eine der zuverlässigsten – und zugänglichsten – Möglichkeiten aber, die Zeit zu kontrollieren, ist mithilfe einer uralten und weit verbreiteten Tätigkeit zu erlangen, der Meditation. In der westlichen Welt wurde die Meditation durch Lehrer und Autoren wie Thich Nhat Hanh, Jon Kabat-Zinn, Matthieu Ricard oder dem Dalai-Lama verbreitet und populär gemacht, sie umfasst neben anderem ruhiges Sitzen, tiefe Atmung und die Besänftigung des Geistes, zum Beispiel durch die Konzentration auf ein Mantra.
Aber man muss nicht unbedingt sitzen. In seinem Buch Das Wunder der Achtsamkeit: Einführung in die Meditation vermittelt Thich Nhat Hanh praktische Anleitungen, wie man Nachhaltigkeit in den gewohnten Tagesablauf einfliessen lassen kann, die Spanne reicht vom Geschirrspülen bis hin zu einem Spaziergang im Park. Egal aber, ob man sitzt, geht oder Tai-Chi macht, Meditation kann den Stress mindern, den Ausblick auf das Leben verbessern und ganz allgemein das Wohlbefinden befördern.
Und überdies die Zeit strecken. Forschungen haben gezeigt, dass Meditation unsere Zeitwahrnehmung tatsächlich beeinflussen kann. Eine Studie ergab, dass Meditierende im Gegensatz zu Nicht-Meditierenden das Gefühl hatten, als würde die Zeit während der Meditationssitzung langsamer vergehen.
Wie? Eine Theorie besagt, es habe damit zu tun, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet. Das Gehirn prozessiert ständig Informationen aus unserer Umgebung, und das kann zu der Wahrnehmung führen, die Zeit flöge dahin. Wenn wir allerdings meditieren, sind wir in der Lage unseren Geist ruhiger zu stellen und unsere Aufmerksamkeit in unser Inneres zu lenken, was die Zeitwahrnehmung wiederum verlangsamen kann.
Eine andere Theorie sagt, Meditation könne uns dabei behilflich sein, achtsamer zu werden und mehr auf den Moment bezogen zu leben. Denn wenn wir uns voll und ganz auf den jeweiligen Augenblick konzentrieren, sorgen wir uns nicht um die Vergangenheit oder die Zukunft, was wiederum dazu führen kann, dass das Verstreichen der Zeit sich langsamer anfühlt. In diesem Sinne ist es dem ähnlich, was Menschen über den Zustand des „Flow“ berichten – tiefe, konzentrierte Aktivität, durch die man sich des Zeitablaufs überhaupt nicht mehr bewusst ist.
Ist also Meditation dasselbe wie Dr. Stranges Kräfte über die Kontrolle der Zeit? Objektiv betrachtet nein, denn es würde einer anderen Art von Superpower bedürfen, um ein Business Meeting eine halbe Stunde früher als geplant zu beenden. Worauf es jedoch bei der Zeit wirklich ankommt, ist der subjektive Teil, eben, wie wir sie erleben. Wenn wir dank der Meditation vollkommen präsent und fokussiert sind, können wir, der uns zur Verfügung stehenden Zeit mehr abgewinnen und dadurch fühlt es sich dann so an, als dauerte sie länger.
Und man muss weder ein Genie noch ein Superheld sein, um zu wissen, dass das etwas ist, von dem wir alle nur profitieren können.