Wissenschaft als Treiber von Nachhaltigkeit

Simone Pedrazzini, Leiter der Tessiner und Mailänder Büros unseres Nachhaltigkeitspartners Quantis, über die Frage, was Schweizer Organisationen tun, um mehr Nachhaltigkeit zu erzielen.

2020 ist ein einschneidendes Jahr. Durch COVID-19 haben sich seit Langem bestehende Schwachstellen in den heutigen Strukturen und Systemen der globalisierten Weltwirtschaft deutlich bemerkbar gemacht – und die Probleme noch verschärft. Viele Menschen stellen sich die Frage, wie wir das in Zukunft besser machen können.

Die Antwort liegt klar auf der Hand: wie müssen zielstrebig nachhaltig handeln – sofort. Der Klimawandel ist für die Geschäftswelt und die Lebensqualität der Menschen mit vielen Risiken verbunden, die denen der aktuellen weltweiten Gesundheitskrise ähneln. Entscheidungen, die wir heute treffen, entscheiden mit darüber, ob und wie wir mit künftigen Katastrophen umgehen können. Vor diesem Hintergrund ist es klar, dass das Thema Nachhaltigkeit keineswegs von der Tagesordnung verschwunden ist, sondern das wichtigste überhaupt geworden ist. Um die von uns verursachten Auswirkungen auf die Welt in den Griff zu bekommen, müssen wir jetzt handeln – mutig und wissenschaftsbasiert.

Wissenschaft: der beste Kompass auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

In ihrem am 22. Juni 2020 veröffentlichten Kurzdossier erklären die Vereinten Nationen, dass die Länder, die die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) beschleunigt umsetzen, besser dafür gerüstet sein werden, sich von den durch COVID-19 hervorgerufenen Umwälzungen zu erholen und Zukunftsresilienz aufzubauen. Die SDGs können als Blaupause für die Gestaltung einer besseren und nachhaltigeren Zukunft für alle gelten. Sie befassen sich mit einigen der drängendsten globalen Herausforderungen, vor denen wir heute stehen: Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Umweltzerstörung, Frieden und Gerechtigkeit. Die 17 Ziele beeinflussen sich gegenseitig. Um sie alle bis 2030 zu erreichen, bedarf es eines integrierten Ansatzes.

Wenn ich gefragt werde, welchen Zielen Priorität eingeräumt werden sollte, antworte ich nicht mit einer bestimmten Zahl. Denn nicht einzelne SDGs sind entscheidend, sondern der Rahmen, den wir zu ihrer Erreichung nutzen. Wenn es darum geht, Prioritäten zu setzen, verweise ich gern auf die Bedeutung eines wissenschaftlich fundierten Ansatzes. Denn ein wissenschaftsbasierter Ansatz hilft uns dabei, die Themen herauszufiltern, die die grösste Wirkung haben werden. So stellen wir sicher, dass wir tun, was notwendig ist, statt nur das, was wir für erreichbar halten. Darüber hinaus lassen sich so Fortschritte messen und überwachen – die entscheidende Grundlage, um Verbesserungen vornehmen und entscheidende Veränderungen vorantreiben zu können.

Aber wenn ich dennoch eine Zahl nennen müsste, wäre es diese: 1,5 ˚C. Warum? Führende Klimaexperten und die Science Based Targets Initiative (SBTi) weisen darauf hin, dass wir die globale Erwärmung auf diesen Wert begrenzen müssen, um die ökologischen Grenzen der Erde (die Grenzen dessen, was der Planet aushalten kann) nicht zu überschreiten und die Worst-Case-Szenarien des Klimawandels zu verhindern. Dazu brauchen wir einen wissenschaftsbasierten Ansatz, mit dem sich die Herausforderungen der Nachhaltigkeit gut bewältigen und die wirkvollsten und wichtigsten Massnahmen identifizieren lassen. Gleichzeitig können wir nur so sicherstellen, dass die getroffenen Massnahmen ausreichen werden.

Die Nachhaltigkeitsagenda der Schweiz

Wie kann das in die Realität umgesetzt werden? Nehmen wir als Beispiel die Schweiz, die im  2020 Environmental Performance Index des Yale Center for Environmental Law & Policy Rang 3 belegt. Als Bestandteil der Schweizer Agenda 2030 zeigt die Strategie Nachhaltige Entwicklung des Landes mittel- bis langfristige politische Schwerpunkte für die nachhaltige Entwicklung auf und verwendet dabei die SDGs als Referenzrahmen. Die Auswirkungen des Klimawandels wurden als besonders vorrangig identifiziert und die Regierung hat Zielvorgaben für die CO2-Reduzierung definiert sowie strikte Massnahmen zu deren Erreichung festgelegt.

Um bedeutende Fortschritte bei diesen Prioritäten erzielen zu können, nutzen die lokalen Behörden die Vorteile der Nachhaltigkeitswissenschaft. Ein gutes Beispiel dafür ist der Kanton Waadt. Als Grundlage für einen regionalen Klimafahrplan hat der Kanton eine Bestandsaufnahme seiner direkten und indirekten Treibhausgasemissionen durchgeführt und aus diesem wissenschaftsbasierten Ansatz Informationen über die wichtigsten klimapolitischen Herausforderungen des Kantons Waadt gewonnen. Zudem wurde so ein solider Ausgangspunkt gefunden für die Entwicklung von staatlichen Massnahmen zur Emissionsreduzierung sowie für Anpassungsstrategien und Aktionen, die mit den Zielen des Pariser Abkommens übereinstimmen.

Die entscheidende Rolle der Wirtschaft

Aber allein schaffen Regierungen das nicht. Ohne ein entschiedenes Mitwirken der Unternehmen, so betonte kürzlich Christine Hofmann, Interimsdirektorin des Bundesamts für Umwelt (BAFU), können die Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden. 

Wir sind in das Jahrzehnt des Handelns für Nachhaltigkeit eingetreten, wir haben keine Zeit mehr für Diskussionen, “warum” Nachhaltigkeit Priorität haben muss. Die Zeit des Handelns ist gekommen, es kann nur noch darum gehen, “wie” wir unsere Nachhaltigkeitsziele erreichen werden. Die Wirtschaft schliesst sich einem solchen Denken zunehmend an. Mehr als 900 Unternehmen, darunter Schweizer Unternehmen wie Nestlé, Firmenich, Barry Callebaut, Swisscom und Mammut Sports Group, haben sich mit Hilfe der Initiative Science Based Targets, die klare, mit der Klimawissenschaft abgestimmte Reduktionsziele für Treibhausgase (THG) vorgibt, wissenschaftsbasierte Ziele gesetzt.

Diese klaren Vorgaben helfen den Unternehmen dabei, die wirksamsten Massnahmen zu identifizieren, um diese Ziele tatsächlich zu erreichen.

Viele verschiedene Tools und Konzepte – wie z. B. ein Corporate Carbon Footprint oder eine Wesentlichkeitsanalyse – können Unternehmen bei der Umsetzung von Massnahmen unterstützen, die die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte und Betriebsabläufe verbessern. In der Schweiz liefert Reffnet.ch, das Swiss Network for Resource Efficiency, eine Reihe von Ressourcen und sektorübergreifendes Know-how, um Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihre ökologischen Lasten durch Reduzierung ihrer Rohstoffabhängigkeit zu reduzieren. 

Wir müssen handeln, um Resilienz aufzubauen und Massnahmen gegen den Klimawandel zu beschleunigen – jetzt. In diesem Jahrzehnt des Umbruchs ist ein wissenschaftsbasierter Ansatz von unschätzbarem Wert. Nur mit ihm lassen sich kluge Entscheidungen treffen und die Anstrengungen auf die wirksamsten und sinnvollsten Massnahmen fokussieren, die uns dem Erreichen unserer Nachhaltigkeitsziele näher bringen.


Simone Pedrazzini
Niederlassungsleiter
Quantis

Über Quantis
Quantis ist ein führendes Beratungsunternehmen im Nachhaltigkeitsbereich, das mit seinem fundierten, auf Metriken basierenden Ansatz Unternehmen bei der Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung intelligenter Nachhaltigkeitslösungen unterstützt. Mit seinem Team von qualifizierten Experten liefert Quantis belastbare Konzepte, aussagekräftige Messgrössen, nützliche Instrumente und zuverlässige Informationen im Sinne einer grösseren Nachhaltigkeit in Zukunft.
www.quantis-intl.com

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