Sind die Flitterwochen für vernetzte Klassenzimmer vorbei?

Es gibt Menschen, die behaupten, man würde eine gewisse Techno-Skepsis vorschieben, um in Wirklichkeit zu traditionellen Werten zurückzukehren. Wieder andere sagen, in Bezug auf Technik im Klassenzimmer sei nur eins sicher: Sie lenkt ab! Was aber, wenn eine Ablehnung vernetzter Klassenzimmer nichts anderes ist als eine neue Gelegenheit für Lehrer?

Laut einer aktuellen Studie der UNICEF sind weltweit mehr Kinder an Schulen angemeldet als je zuvor. Ein beträchtlicher Prozentsatz davon lernt jedoch nichts oder wenig, denn viele Kindern verfügen nicht über ausreichende Lese- und Rechenfähigkeiten. Könnte das die Schuld der Technik sein? Ganz so einfach ist es wohl nicht.

Wir wissen, dass heute mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung ein Mobiltelefon benutzen. Wir wissen auch, dass die ständigen Unterbrechungen, denen wir dank dieser Geräte ausgesetzt sind, zu körperlichem und psychischem Stress führen können. Die Entscheidung der Niederlande, seit Januar 2024 Smartphones und andere Technologien aus den Klassenzimmern zu verbannen, scheint in diesem Zusammenhang ein folgerichtiger Schritt zu sein.

Nichtsdestotrotz gilt andererseits, dass die positiven Auswirkungen anderer Technologien im Unterricht wie zum Beispiel interaktive Whiteboards oder Tablets nicht so einfach zu belegen sind. Im Unterrichtswesen spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle, warum also ziehen viele Länder den Stecker?

Bei all dem geht es vorrangig auch darum, die Bedeutung der traditionellen Rolle von Lehrkräften hervorzuheben – eine Rolle, die im normalen Schulbetrieb nur zu leicht unbeachtet bleibt, wenn Schüler dank der Technik immer leichter an Informationen kommen können. Das zeigt auch der UNESCO-Bericht über Technology in Education (Verwendung von Technologien im Bildungswesen) auf, der hervorhebt, dass im Bildungswesen eingesetzte Technologien niemals den lehrergeleiteten Unterricht ersetzen sollten.

Dennoch muss man sich fragen, ob die Angst davor, die technischen Mittel komplett durch Lehrkräfte zu ersetzen, gerechtfertigt ist, denn beide – Lehrer wie Schüler –

können von technischen Hilfsmitteln profitieren. Mobiltelefone haben vermutlich keinen Platz in einem Klassenzimmer, das aber sollte nicht bedeuten, dass jegliche Technologie aus dem Klassenzimmer verbannt werden muss.

Die bessere Frage ist vermutlich nicht die, ob ein vernetztes Klassenzimmer dem Lernprozess dienlich ist, sondern vielmehr, woran es liegt, dass wir uns dafür entschieden haben, uns auf diese und keine andere Weise zu vernetzen. Zu verstehen, wie man Technik richtig einsetzen kann, beginnt mit dem Verständnis für das, was wir eigentlich erreichen wollen. Eindeutig sollte Technologie nicht nur zum Einsatz kommen, um mit der Zeit zu gehen, es muss immer ein Ziel geben, auf das wir mit ihrer Hilfe hinarbeiten.

In diesem Sinne ist es wahrscheinlich keine schlechte Idee, ein wenig Abstand zur Technik zu gewinnen. Eine gewisse Art der Unterbrechung im Tagesablauf könnte den Schülern dabei behilflich sein, ein gesünderes Verhältnis zu der Technologie aufzubauen, mit der sie immerhin aufgewachsen sind. Darüber hinaus könnten die Schulen bestimmte Regeln für die Nutzung von Technik festlegen und die Verbindung damit zu einer bewussten Entscheidung werden lassen und nicht zu einer Erwartungshaltung.

Ganz abgesehen davon, Technologie aus den Klassenräumen zu verbannen, ändert nichts an der Tatsache, dass es sie gibt, und ein gesundes Mass an Vernetzung im Klassenzimmer fördert den Dialog. Wir können den Schülern beibringen, dass sich die Welt zwar weiter verändern und uns weitere, neue Werkzeuge an die Hand geben wird, dass es aber immer unsere Entscheidung bleiben muss, wie wir sie einsetzen und auf welche Weise sie uns helfen sollen.

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