Vibriert deine Uhr? Pulsiert deine Yoga-Hose? Summt dein BH? Mach dir nichts draus, es sind doch nur deine Apps, die dich den lieben langen Tag lang in deiner Kleidung ansprechen … weiter nichts.
Wearable Technologie findet sich heute fast überall, genauer gesagt: überall an uns. Angefangen bei den mittlerweile unverzichtbar gewordenen Smartwatches, über Fitness Tracker und intelligente Ringe bis hin zum letzten Schrei, der intelligenten Bekleidung wie zum Beispiel den Socken, die deinen Laufstil kritisieren, der Yoga-Hose, die zu bellen anfängt, wenn du den herabschauenden Hund nicht richtig hinbekommst oder der Unterwäsche, die deine Wohnung automatisch kälter werden lässt, wenn deine Körpertemperatur steigt, sind wir praktisch rund um die Uhr mit einer technologischen Feedback-Schleife verbunden. Daten gehen raus und Daten kommen rein – meist angezeigt durch Gesumme, Glockenschläge oder andere Signaltöne.
Diese eingehenden Daten reichen von den vorgeblich wünschenswerten – sagen wir zum Beispiel unserer Herzfrequenz oder dem Sauerstoffgehalt unseres Bluts – bis hin zu den sehr viel weniger begehrenswerten – man denke nur an Benachrichtigungen aus dem Bereich Onlinehandel, wenn man dir mitteilt, dass irgendein Unsinn, auf den du in einer gelangweilten Sekunde im Web gestossen bist, gerade jetzt im Moment im Angebot ist. Was aber stellen all diese Benachrichtigungen mit uns an, besonders wenn sie praktisch mit unserem Körper verbunden sind?
Interessanterweise wurden sowohl Wearables als auch Push-Benachrichtigungen auf der Grundlage desselben Prinzips entwickelt: Sie sollen uns davon abhalten, immerzu aufs Handy zu schauen. Damals, als es noch als unhöflich galt, sein Telefon während des Essens auf dem Tisch liegen zu haben, waren Wearables diskret und hatten die Form von Anhängern oder verborgenen Anhängseln deiner analogen Armbanduhr und man wurde nur dann benachrichtigt, wenn etwas tatsächlich Wichtiges passiert war. Auch Push-Nachrichten informierten einen nur über Wesentliches, und ansonsten konnte man das Telefon getrost weglegen.
Aber dabei ist es natürlich nicht geblieben. Denn jeder Vermarkter wird dir versichern, dass das, was hier gerade angeboten wird, immer echt wichtig ist. Das Ergebnis ist eine ungeheure Zunahme der Push-Nachrichten. Daten über Wearables sind schwer zu bekommen, aber eine Statistik zeigte unlängst, dass die Bewohner der USA durchschnittlich bis 46 Push-Benachrichtigungen pro Tag aufs Handy bekommen – ein Gerät, mit dem sie täglich fast 4 Stunden verbringen.
Dabei sind Wearable-Benachrichtigungen nur ein weiterer Teil dieser Symphonie der Ablenkungen, mit der wir jeden Tag berieselt werden. Zu einer Zeit, in der viele der von uns verwendeten Geräte für sich in Anspruch nehmen, unsere Produktivität zu erhöhen, wurde gleichzeitig nachgewiesen, dass die auf diesen Geräten empfangenen Benachrichtigungen genau das Gegenteil bewirken. Der Wechselkosteneffekt beschreibt die geistige Anstrengung, die immer dann aufgewendet werden muss, wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach einer Ablenkung wieder auf ihr eigentliches Ziel richten müssen. In einer Studie wurde gezeigt, dass Studierende, die während einer Prüfung eine Reihe von Textnachrichten auf ihre Telefone erhielten, um 20 % schlechtere Ergebnisse erzielten als eine Kontrollgruppe, deren Telefone abgeschaltet waren. Und Wearables könnten diesen Wechselkosteneffekt noch vergrössern, so wurde in einer Studie aus dem Jahr 2021 erwiesen, dass Smartwatches eine grössere Ablenkung darstellen als Mobiltelefone.
Interessanterweise – oder vielleicht deprimierender Weise – können selbst Informationen, die wir suchen und wollen dazu führen, dass wir uns dank ihrer schlechter fühlen. So wurde in einer anderen Studie gezeigt, dass wenn unser Fitness-Tracker uns sagt, wir schlafen nicht genug (selbst wenn das gar nicht stimmt), diese Information unsere Stimmung und unsere Konzentration beeinflussen kann und darüber hinaus Angstzustände und – genau –Schlafstörungen verursacht.
Was also tun angesichts dieser Flut von Benachrichtigungen? Wir können es auf die philosophische Weise versuchen und ganz einfach darauf verzichten, mithilfe eines intelligenten Geräts bessere Menschen werden zu wollen. Wenn du aber wirklich in deine Wearables vernarrt bist, kannst du deine Benachrichtigungen entweder einschränken oder dich für eine Technologie zur Unterdrückung von Benachrichtigungen entscheiden, wie zum Beispiel die intelligente Unterwäsche, wie sie die Deutsche Telekom in einer ironischen Werbung vorstellte, wenn Telefone eines Paares in einen „Bitte nicht stören“ Modus versetzt werden – aber natürlich nur, wenn beide Personen zustimmen.
Oder man versucht es auf die technisch minimalistische Weise, zum Beispiel mit einer ausdrücklichen Anti-Smartwatch wie die Swiss Alp Final Upgrade von Moser & Cie. Diese „Alp Watch“ ist eine mechanische Uhr, die genauso aussieht wie eine Apple Watch, komplett mit einem tiefschwarzen Zifferblatt in Vantablack. Das Unternehmen bewirbt seine Uhr mit dem Slogan: „Hol dir dein Leben zurück und steige auf eine mechanische Uhr um“. Hol dir dein Leben zurück, könnte man noch anfügen, und schlaf ein bisschen länger, das schaffst du!, auch wenn dein Wearable es dir gerade nicht sagt.