Wir haben die Druckerpresse, die Schreibmaschine und die Rechtschreibeprüfung überstanden und jetzt droht uns künstliche Intelligenz mit dem «Tod des Schreibens». Aber das kann sie gar nicht, denn wenn wir schreiben, geht es nicht einfach darum, Wörter auf Papier zu setzen. Es geht darum, wie wir lernen, uns erinnern, überzeugen und denken.
Schreiben bedeutet Denken mit den Händen. Wenn du dich hinsetzt, um zu schreiben, sei es eine E-Mail, die Zusammenfassung einer Vorlesung, einen Projektplan oder eine Unternehmenspräsentation, immer geht es darum, all das zu ordnen, was dir durch den Kopf geht. Du musst wissen, was wichtig ist, entscheiden, was ausgelassen werden kann, kurz: Du muss deine Gedanken in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Es ist der Vorgang an sich, Ideen auf Papier zu gestalten, der deine Gedanken schärft.
Es ist längst durch wissenschaftliche Studien erwiesen, dass Lernende, die handschriftliche Notizen anlegen, anstatt sich auf einen Laptop oder eine App zu verlassen, durchweg ein grösseres Erinnerungsvermögen haben. Ebenso, dass Fachleute, die sich während einer Besprechung Notizen machen, sich besser an bestimmte Details erinnern, leichter Verbindungen herstellen und sie umsetzen. Es geht eben darum, dass Schreiben nicht nur eine Art ist, Wissen zu speichern – es ist ein Mittel dafür, Wissen zu schaffen.
Es ist vor allem auch ein Mittel, um Glaubwürdigkeit aufzubauen. Im Geschäftsleben sind klar geschriebene E-Mails oder Berichte mehr als bare Information, sie sind ein Zeichen von Kompetenz. Eine wirre Nachricht zeugt meist von einem wirren Kopf, während ein wohl strukturiertes Argument Vertrauen schafft. Führungskräfte, die gut schreiben können und sich nicht darauf verlassen, generisch zu klingen, weil ihre Worte von KI verfasst wurden, festigen auf diese Weise ihre Autorität.
Das ist die Ironie von KI, sie ist brillante Assistenz… aber wirklich erst dann, wenn du selbst genau weisst, wie man überzeugend schreibt. Ohne diese Fähigkeit jedoch, ein Problem schriftlich darzustellen, die wesentlichen Argumente zu kommunizieren und zu wissen, ob die Ergebnisse den Zielen entsprechen, läufst du Gefahr, von der Maschine bestimmt zu werden und nicht umgekehrt, die Maschine von dir. KI kann mit Geschwindigkeit helfen, die Kommunikation mit deiner Stimme an dein Publikum allerdings, hängt immer allein von dir selbst ab.
Übrigens bleibt die gute Nachricht in all dem, dass Schreiben keine Gabe ist, über die man verfügt oder nicht, es ist eine Fertigkeit, die mit Übung wächst. Jeder Tagebucheintrag, jede Besprechungsnotiz, jede Gliederung, die du vor dem Tippen handschriftlich notierst, ist Training, das sich überdies mit der Zeit summiert. Noch niemand ist über Nacht zu einem grossen Schriftsteller geworden – das geschieht langsam und Wort für Wort.
Auch in einer von KI durchdrungenen Welt bleibt Schreiben das leiseste und kraftvollste Mittel, Gedanken zu formen. Und wenn es von Hand getan wird – in ein Notizbuch, auf ein Blatt Papier und mit deinem eigenen Stift – vervielfachen sich die Vorteile. Natürlich kann KI für dich schreiben, aber auch im Zeitalter von künstlicher Intelligenz bleibt das Motto: Schreib trotzdem!