OK, Z: Ein Brief an eine alternde Generation

Liebe Generation Z, versucht mal, die Generation zu erraten, von der hier die Rede ist: Sie ist selbstsüchtig und narzisstisch. Sie erwartet, dass die anderen alles geben, während sie nicht mal wirklich Verantwortung für sich selbst übernimmt. Vielleicht träumt sie davon, irgendwann den perfekten Prinzen oder die perfekte Prinzessin  zu heiraten, für wirkliche Romantik jedoch ist sie viel zu unreif. Und was Arbeit angeht, so spielt sie lieber! Vielen herzlichen Dank dafür. Und: Die überwältigender Menge diese Generation lebt immer noch bei den Eltern. Von welcher Generation ist die Rede?

Falsch, Generation Z, es seid weder Ihr noch Eure Millennial-Eltern. Es sind die ganz Neuen, Generation Alpha genannt. Versteht sich, dass die Ältesten davon gerade mal 12 Jahre alt sind, aber es wird nicht mehr lange dauern und sie nehmen sich Eure Sozialen Medien, Eure Pronomen und Eure globale Gesundheitskrise vor. Und wenn Ihr glaubt, dass es sich bei der Verunglimpfung des Geschmacks, von Interessen und Zielvorstellungen der jüngeren Generation um etwas dreht, dass nur Eure unerträglichen Grosseltern der Generation X verlauten lassen würden, so lasst Euch sagen, dass es nur zu bald schon aus Eurem eigenen grosssprecherichen Spätpubertierer-Mund tönen wird.

Warum? Ganz einfach, Generation Z, weil Ihr, genau wie Eure Millennial-Eltern es um das Jahr 2011 festgestellt haben, erleben werdet, dass Ihr nicht ewig jung bleibt. Es ist immer die nächste Generation, die die Welt erbt, denn die Zeit vergeht, die Uhr tickt. Generation Alpha wird viel cooler sein als Ihr, sowieso technologischer, und sie werden absolut davon überzeugt sein, dass Eure Kinderkrankheiten und Wachstumsschmerzen wie zum Beispiel die für jede Generation einmalige weltweite Wirtschaftskrise der ausgehenden 00er Jahre nichts war im Vergleich zu ihrer einmaligen weltweiten Pandemie. Daraus wird dann auf der andern Seite der vorhersehbare Schluss gezogen werden, dass die Alphas selbstsüchtiger und narzisstischer sind als jede vorhergehende Generation – vermutlich werdet Ihr das sogar selbst auf TikTok posten, wenn Ihr nicht gerade Eure Tanzübungen macht und dazu Seemannslieder singt, allerdings steht zu befürchten, dass die Alphas gar nicht da sind, um die Posts zu lesen, weil sie durch das Metavers trippen.

Von der Lost Generation zur Silent Generation, der Greatest Generation zu den Baby Boomern und von Generation X zu den Millennials, bei allen gibt es ein und dieselbe Konstante, dass nämlich ausnahmslos jede Generation irgendwann in etwas stecken bleibt, was man das Hamsterrad der Generationenangst nennen könnte – das aber ist eine Maschine, die Konflikte erzeugt.

Und diese Konflikte gehen so: Stellen wir uns vor, eine neue Generation wird geboren und diese neuen Menschen werden von Marketing-Trendforschern, Psychologen oder Journalisten alle in einen Topf geworfen – geben wir dieser hypothetischen Generation einfach den Namen Generation Glurk. Bis zum Alter von um die 16 betrachtet man dann diese Glurker mit grossen Hoffnungen und Optimismus, allerdings nur, bis ihr Musikgeschmack, ihr Lebensstil und so weiter zum öffentlichen Thema gemacht werden. Dann stossen ihre Ansichten bei den Erwachsenen überall auf der Welt und im ganzen Internet auf Unverständnis, Betroffenheit und lautstarke Ablehnung, denn es ist hinlänglich bekannt, dass alle Erwachsenen aller Zeiten wie von Zauberhand irgendwann vergessen, was es bedeutet, jung zu sein, während sie sich gleichzeitig vorstellen, sie wären immun gegen die Albernheiten der Jugend von heute. Eben die Kids von heute! Es versteht sich aber, dass diese Kids die Älteren dann ihrerseits als alt und abgehalftert abstempeln, eben als Saurier kurz vorm Aussterben.

Wenn dann diese Glurks schliesslich zum ersten Mal in die Erwachsenenwelt eintreten – Universität, Arbeit, Besitz, stabile Beziehungen – schlägt ihnen die ganze Wut der Generation entgegen, die sie dabei sind zu entthronen. Dann werden Glurks in Tausenden von Tweets, Artikeln und Fernsehdokumentationen als selbstsüchtig, frivol, realitätsfern und verwirrt abgestempelt, und sie sind die unfertigste, am wenigsten ernsthafte und elendeste Generation seit Kain und Abel. Der Subtext lautet: Wir lehnen Euch ab. Die Welt gehört immer noch uns, und kampflos werden wir sie nicht übergeben … und das Hamsterrad dreht und dreht sich weiter.

Doch muss das so sein? Mit Ausnahme der Baby Boomer werden Generationen fast nie von Demographen definiert. Generationen fliessen immer in einander, und die Grenzen, die wir abstecken, sind willkürlich (das empfindet Ihr besonders schmerzhaft, wenn Ihr Euer Leben als späte Xer begonnen habt, dann ein Y wurdet und heute als geriatrische Millennials abgehalftert werdet). Definitionen dieser Art existieren nur auf dem Papier. Es gibt kein empirisch belegbares Wir gegenüber einem empirisch nachweisbaren Sie und eigentlich gibt es gar keinen wirklichen Grund für einen Konflikt.

Also Generation Z, obwohl die Versuchung, das Rad sich weiter und weiter drehen zu lassen, sehr gross ist, steht es Euch frei, jederzeit aus diesem Hamsterrad der Generationenangst auszusteigen. Ihr könntet die neue Generation mit ihrem komischen Geschmack und all ihren putzigen Klamotten einfach herzlich willkommen heissen und ihnen behilflich sein, in eine Welt einzusteigen, die auf jeden Fall frische, wenn nicht sogar vollkommen neue Herausforderungen für sie bereitstellen wird. Ihr könntet ihnen helfen – genau wie Ihr es musstet –, Anwürfe wie „selbstsüchtig“ und „narzisstisch“ abzulegen, denn junge Menschen werden in allen Zeiten mit denselben Etiketten belegt. Ihr habt die Chance, die wahrhaft einzigartige Generation zu sein, die den Generationskonflikt  mit der nächsten Generation nicht weiter austrägt. Der Tag wird kommen, aber noch habt Ihr Zeit, Euch zu entscheiden, Eure Eltern und Grosseltern und Urgrosseltern nicht zu imitieren. Alles klar, Z?

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