Das ursprüngliche Sozial Distancing-Instrument

Seitdem die Auswirkungen des Lockdowns überall zu spüren sind, bewegen wir uns alle rund um die Uhr im Internet: Arbeiten von zuhause aus und die Kinder im Homeschooling betreuen; das geht dann nahtlos über in persönliche Treffen mit der Familie, Happy Hours mit Freunden auf Zoom oder sogar (das hängt ganz vom Ausmaß der apokalyptischen Stimmung ab) in WhatsApp-Chats mit dem Ex.

Und dann noch Netflix. Vielleicht eine Theaterproduktion oder ein Konzert streamen. Danach noch etwas Yoga oder Fitness – mit Live-Anleitungen aus dem Internet. Online-Shopping. Stundenlanger TV-Konsum.

Und die Nachrichten haben wir dann noch nicht einmal gesehen. Man springt von der Nachrichten-Seite zum Facebook-Post, um die aktuellsten Statistiken und sich widersprechende Statements über Mund-Nase-Masken, Handschuhe, Symptome des Coronavirus und Social Distancing-Regeln aufzusaugen und möglichst viel zu erfahren. Wir sind angeschlossen, verbunden und online – jede Minute des Tages.

Zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte war es notwendiger als heute, auch einmal wieder vom Bildschirm wegzurücken.

Aber wie kann uns das gelingen – ohne zu weitzugehen? Wie können wir soziale Distanz wahren, ohne uns total isoliert zu fühlen?

Kramen Sie doch einfach mal ein bisschen in Ihrer Schreibtischschublade. In dem alten Becher, der auf dem Schreibtisch einstaubt. Oder graben Sie in Ihrer Tasche oder Aktentasche (in der sich in den letzten Monaten zuhause nur der Staub angesammelt hat). Dort werden Sie sicherlich eines der Exemplare finden, was man als das ursprüngliche Social Distancing-Instrument bezeichnen könnte:

Den Kugelschreiber.

Denken Sie einmal darüber nach. Kugelschreiber wurden erfunden, um Gedanken einzufangen. Langsam. Beim Schreiben haben Ihre Gedanken Zeit, sich quasi herauszukristallisieren und zu verdichten und noch während des Schreibens einer letzten Prüfung unterzogen zu werden. Das ist doch der perfekte Balsam für jede hektische, geplagte oder überstrapazierte Seele.

Und was noch besser ist: Kugelschreiber wurden im Hinblick auf soziale Distanz entwickelt. Wie mit vielen modernen digitalen Instrumenten kann man mit dem Kugelschreiber Zeiten und Entfernungen überwinden. Aber anders als bei E-Mails, Texten und Tweets besteht nicht die Gefahr, damit in einen hitzigen Schlagabtausch zu geraten oder einen rasanten Dopamin-Stoß verpasst zu bekommen, weil eine Nachricht aufpoppt, die eine direkte Reaktion verlangt. Mit dem Kugelschreiber können Sie jederzeit gesunde soziale Distanz wahren.

Und seit die Welt so kompliziert ist, wie sie ist, und wir ständig mit den neuesten Funktionen und Updates der innovativsten digitalen Instrumente kämpfen, die uns inzwischen bei der Arbeit, in der Freizeit und beim Lernen von zuhause aus so selbstverständlich begleiten, ist es doch regelrecht erfrischend, ein Instrument in den Händen zu halten, das nur eine Sache kann – aber die richtig gut.

Warum also nicht einfach einen Kugelschreiber in die Hand nehmen, draufklicken und loslegen?

Formulieren Sie Ihre Post-Lockdown-Hoffnungen. Schreiben Sie Ihre To-do-Liste. Oder ein einfaches Post-It an sich selbst. Schicken Sie endlich die Urlaubspostkarte ab, die Sie in bester Absicht gekauft, aber nie abgeschickt hatten. Oder schreiben Sie einen Brief an jemanden, der Ihnen besonders am Herzen liegt. Natürlich könnten Sie auch einfach eine weitere E-Mail senden. Aber vielleicht gibt es gerade in diesen Tagen keine bessere Möglichkeit, dem digitalen Wirrwarr zu entfliehen als mit der Herzlichkeit und dem Mitgefühl eines echten Briefes (wer würde sich darüber in diesen Zeiten nicht freuen?). Wenn auch vieles geschlossen sein mag, die Post ist es nicht.

In diesem Always-on-Zeitalter werden wir wohl nicht mehr lange getrennt bleiben. Aber Abstand halten werden wir noch länger müssen. Und das ist (Entschuldigung an The Beatles!) möglich: You can get by with a little help from your pens.

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