Have you been pwned? (Wurden Sie reingelegt?) Dieses merkwürdige Wort, pwned, das auch besiegt oder dominiert bedeutet, hat in der Tech-Welt vor allem die Bedeutung, gehackt worden zu sein, und fast kommt es einem so vor, als würde kein Tag vergehen, an dem in den Nachrichten nicht von einem solchen Übergriff berichtet wird. Betreiber von sozialen Netzwerken, Email-Anbieter, Banken, Online Dating-Portale – kein Unternehmen mit Computern ist mehr sicher, und Sicherheit im Internet ist fast zu einem Widerspruch an sich geworden. Aber in Zeiten, da so viel von unserem Leben irgendwo gespeichert ist oder sich online abspielt, verwundert es nicht wirklich, dass es Leute gibt, die sich auf kriminelle Weise in unsere digitalen Leben bohren. Oder sollte es uns doch wundern?
Hacker, und das sagen Ihnen die meisten Leute, die über sie schreiben, sind nicht per se Kriminelle. Natürlich sind sie Computerexperten, aber darüber hinaus sind sie auch Entdecker und Problemlöser, sie sind leidenschaftliche, neugierige, enthusiastische Menschen, die der Versuchung nicht widerstehen können, Türen aufzusperren, Wände einzureissen und ihre Nasen in Dinge zu stecken, wohin sie nun wirklich nicht gehören und wovon ihnen alle Welt abrät. Man könnte sie auch – schon, um eine Sprachwahl zu vermeiden, die immer noch zu sehr nach kriminell klingt – als Qualitätskontrolle bezeichnen.
Da ist zum Beispiel der Hacker Barnaby Jack. Er widmete sein relativ kurzes professionelles Leben dem Auffinden von Fehlern oder Schwächen in vorgeblich intelligenten medizinischen Technologien und konnte zeigen, dass er automatische Insulinverteiler hacken und dazu bringen konnte, Diabetikern tödliche Dosen zu verabreichen. Und in einem wahren Tech-Streich 2016, als man autonomen Fahrzeugen gerade sehr grosse Aufmerksamkeit schenkte, konnten Hacker offen zeigen, wie sie die Fernsteuerung über einen Jeep erlangten, während ein Journalist des Magazins Wired gerade am Steuer sass, um den selbstfahrenden Wagen auszuprobieren. Nach solchen Vorführungen ihrer Fähigkeiten ist es kein allzu grosser Sprung mehr hin zu den Gaunereien, die man in einem James Bond Film vorgeführt bekommt. Allerdings macht das selbsterklärte Ziel den Unterschied aus: Wir nehmen die Welt nicht als Geisel; wir versuchen, sie wachzurütteln.
Indem sie zeigen, dass schwerwiegende Konsequenzen, die aus unserer technologischen Naivität herrühren, nicht nur vorstellbar, sondern machbar sind, schlagen die Hacker mit dem weissen Hut Alarm und warnen die Welt davor, was Hacker mit schwarzem Hut – die richtig fiesen Bösewichte – alles anstellen könnten. Man hat Hacker oft als einen wichtigen Teil des Immunsystems des Internets bezeichnet, die Schwachstellen aufdecken und Sicherheitslücken angreifen, auf dass das System besser gegen Angriffe gewappnet sei. Die Widerstandsfähigkeit von Open-Source-Software verdanken wir teilweise der Kanalisierung positiver Energie von Millionen Freiwilligen, die sich freudig bereit erklärt haben, öffentlich verfügbaren Code zu optimieren. Viele der berühmtesten Tech-Firmen setzen so genannte Wanzenprämien aus oder ermutigen Programme, die über Systemschwächen berichten und bieten all denjenigen einen Haufen Geld, die Fehler in ihren Systemen aufzeigen können. Und Regierungen mit ihrer oft recht peinlichen Öffentlichkeitsarbeit und ihren Anwerbungen, lieben die Hacker auch. Jedenfalls einige von ihnen.
Allerdings geht es den meisten Hackern um mehr als nur eine Herausforderung oder eine Bezahlung, es geht ihnen ums Prinzip. Und die Prinzipien, die meist als eine Art „Hacker-Ethik“ betrachtet werden, sind gleichzeitig immer auch Anti-Establishment, sie stehen für Offenheit und extreme Transparenz – also genau die Art, die einen zum Verräter oder schlimmer abstempeln kann. Je nachdem, wie man es betrachtet, ist also Julian Assange entweder der berühmteste Journalist der Welt oder er ist ihr bemerkenswertester Spion und Hacker (unter anderem wird ihm vorgeworfen, Chelsea Manning beim Knacken eines Passworts der US-Regierung geholfen zu haben).
Um es mit den Worten der Hackergruppe Anonymous zu sagen: Hacker sind Legion. Sie tragen nicht alle einen Hut in der einen oder anderen Farbe, sie wollen einfach nach ihren Taten beurteilt werden. Und ob die nun heroisch oder kriminell sind, alle Streiche, Angriffe, Hacks und Verstösse stärken unser Immunsystem, und rütteln uns wach aus unserer technologischen Gleichgültigkeit. Wenn Hacker wie Viren sind, sind sie vielleicht genau die Viren, die wie brauchen.
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haveibeenpwned.com