Einer der wichtigsten Punkte eines Meetings, eine echt brillante Idee, die dir unter der Dusche kam oder die Erkenntnisse deines Professors über die Verbindung von Protozoen mit dem Kalten Krieg – das hast du alles noch im Kopf, oder etwa nicht?
Wir betrachten unser Gedächtnis als zuverlässiges Lager… in Wirklichkeit aber ist es ein grosses, durchlässiges Sieb und den Unterschied zwischen wichtig und unwichtig kennt es ist überhaupt nicht, denn das meiste von dem, was hineingegeben wird, stiehlt sich sang- und klanglos wieder davon.
Vielleicht soll es so sein, und wir sind gar nicht dafür gemacht, wirklich alles zu behalten. Das wäre auch ganz normal, denn unser Gehirn ist darauf ausgelegt zu vergessen. Während wir nachts schlafen, sortiert es den Wust, dieses ganze mentale Durcheinander wie eine neurologisch ausgerichtete Marie Kondo. Einiges wird behalten, anderes ausgefiltert. Nach dem Motto: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.
Wenn wir also wirklich etwas behalten wollen, müssen wir unserem Gehirn beibringen, was wichtig ist. Am besten schafft man das, indem man sich damit beschäftigt. Wir müssen es thematisieren. Am besten schreiben wir es auf.
Das soll heissen, nicht tippen, sondern schreiben. Denn obwohl Tippen schnell und zeitsparend ist – handschriftlich etwas festzuhalten, verlangsamt – und das ist gut so. Es zwingt einen, das, was man behalten will, zu verarbeiten, es einzudämpfen und es wesentlich zu machen. Wenn du handschriftliche Notizen machst, schreibst du nicht nur Daten oder Fakten nieder, du vernetzt sie zu Informationen und so überzeugst du dein Hirn davon, sie nicht zu vergessen.
Die Neuropsychologin Audrey van der Meer hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigt. und ihre Studien zeigen, dass Handschrift mehr Teile des Gehirns aktiviert als tippen – denn es ist eine tiefgehende, intensive Tätigkeit, die Lernprozesse, Konzentration und Gedächtnis anregt. Es geht hier nicht um Nostalgie, es geht um Wahrnehmung und Denkfähigkeit.
Wie sollten diese Notizen also am besten angelegt werden? Es gibt nicht den einen, absolut richtigen Weg, aber es existieren einige bewährte Methoden, die einen Versuch wert sind:
Die Cornell Methode teilt die Seite in Notizen, Hinweise und Zusammenfassung auf. Es ist ein System, dass zur Überprüfung und zum Nachdenken einlädt, aber es bedarf keiner Registrierkarten mit Farbkodierung oder digitaler Aufforderungen.
Die Outline Method ist linear und logisch. Wenn dein Gehirn Ordnung mag, ist es genau richtig für dich, es fühlt sich an, als würde man Legosteine zusammenbauen.
Mind Maps sind für all die von uns gut, die nicht linear vorgehen. Beginne in der Mitte und zeichne Verzweigungen ein. Hier geht es weniger um Sequenzen als um Beziehungen.
Sketchnoting bedeutet, einfache Zeichnungen zu machen, Pfeile und Symbole, die deinen Notizen visuelle Erinnerungspunkte schaffen. Es klappt auch für all diejenigen, die ums Verrecken nicht zeichnen können
Versuch es zunächst mit einer Methode, dann mit einer anderen, am Ende wirst du sie alle irgendwie vermischen, wie es für dich am besten ist – das macht jeder so. Es ist wie die Handschrift selbst, das Anlegen von Notizen wird zu deinem persönlichen Stil, einer Mischung aus Struktur und Chaos, Listen und Diagrammen, Schlagwörtern und Pfeilen. Das ist keine Inkompetenz, man nennt es: Feingefühl.
Und was wird aus den Seiten, die du angelegt hast? Die meisten siehst du dir nie wieder an. Doch darum geht es eben nicht, es geht um den Signalcharakter, denn wenn du etwas niederschreibst, sagst du damit deinem Gehirn: Das hier ist wichtig! Und oft reicht das, um es ins Langzeitgedächtnis zu überführen.