Ein Kinder Kinderspital

Krankenhäuser müssen nicht hübsch sein. Oder freundlich. Oder warm. Doch das neue Zürcher Kinderspital, entworfen von den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron verbindet alle drei Aspekte mit einander und bietet noch etwas mehr. Es ist der ambitionierte Versuch, das zu beweisen, was eigentlich offensichtlich sein sollte: Dass nämlich die Architektur der Krankenpflege an sich schon heilen kann, und sie nicht nur unterbringen soll.

Das in über 14 Jahren erbaute Projekt ersetzt das grösste Kinderkrankenhaus der Schweiz durch ein grosszügiges, flaches Gebäude an einem grünen Zürcher Berghang. Es ist nicht darum bemüht, sich, wie viele private Kliniken, als Hotel darzustellen, entlehnt jedoch Aspekte eines Spas, wie Licht und Ruhe und bietet einen tiefen Respekt für den menschlichen Körper.

In seinem Inneren hat das Gebäude mehr von einer Stadt als von einer Krankenstation. Die Architekten haben den gewöhnlichen, mehrstöckigen Grundriss durch drei breite, horizontale Ebenen ersetzt, die zusammen mit 16 Innenhöfen mit schönen Gartenanlagen um eine zentrale „Hauptstrasse“ angelegt sind. Auf diese Weise werden Abteilungen zu Nachbarschaften, und die Patientenzimmer – jedes einzelne ein kleines „Häuschen“ mit Dachschrägen – vermitteln den Eindruck von privaten Hütten in einem Rückzugsort in den Bergen. Hier finden sich warme Holzböden und sanftes Tageslicht statt der traditionellen Uniformität mit Böden aus Vinyl und Leuchtstoffröhren an den Decken.

Aber der radikalste Aspekt des neuen Kinderspitals ist gleichzeitig der einfachste: Es wurde nach den Bedürfnissen derjenigen ausgelegt, die es tatsächlich nutzen. Und so betreten die Kinder das Gebäude durch überdimensionierte „Cartoon“-Türen, und die Korridore sind breit genug, um darin Fussball zu spielen. Es gibt Bullaugen in Kinderhöhe, Betten, die zu Sofas umgestalten werden können, wenn Eltern über Nacht bleiben, und Wände, die man bemalen darf. All das wurde nicht trotz der medizinischen Funktion gestaltet, sondern es steht in ihrem Dienst.

Diese Sensibilität im Umgang mit den Patienten erstreckt sich auch auf die Mitarbeiter, der Gebäudekomplex wurde mit der gleichen Sorgfalt für funktionierende Abläufe und Flexibilität gestaltet wie für Gefühle. Der Betonrahmen ermöglicht das Verschieben von Trennwänden und Erweiterungen von Abteilungen, wenn sie benötigt werden. Treppen und Fenster dienen als Festpunkte, wodurch die Orientierung im Gebäude intuitiv wird. Und ganz gleich, wo man sich gerade befindet, von überall sieht man gewöhnlich einen Baum.

Das gesamte Projekt hat etwas typisch Schweizerisches, es ist eine ausgewogene Mischung aus Wohlstand, Ordnung und geschmackvollem Design. Mehr noch, es ist Teil einer langen Schweizer Tradition, die Beziehung zwischen Umwelt und Gesundheit neu zu denken. Von revolutionären alpinen Kommunen bis hin zu den immer noch weitbeachteten Ideen von Schweizer Psychiatern wie Bleuler oder Jung herrscht hier nach wie vor der Glaube, dass die Umgebung wichtig ist.

Herzog & de Meuron sind globale Architektur-Ikonen aus Basel. Die letzten beiden Jahrzehnte haben sie damit verbracht, ihre Ideen auf die Krankenpflege anzuwenden. Das Kinderspital ist bis dato ihr ehrgeizigstes Projekt, hier ist Design nicht nur blosse Dekoration, sondern Fürsorge. Das Ergebnis ist ein Krankenhaus, das sich weniger wie eine Maschine anfühlt und mehr wie eine Gemeinschaft, in der die Heilung nicht erst am Bett beginnt, sondern schon an der Haustür.