Von Albert Einstein und Wladimir Iljitsch Lenin bis zu Schriftstellern wie James Joyce oder Hermann Hesse – die Schweiz ist schon seit langer Zeit Heimat einiger der angesehensten Immigranten der Welt. Die vermutlich berühmteste Einwandererfamilie jedoch, die singenden von Trapps, haben zwar die Alpen in der Schlussszene des Films Meine Lieder – meine Träume überquert, in die Schweiz jedoch sind sie in Wirklichkeit nie gekommen.
Allerdings gab es die österreichische Familie von Trapp tatsächlich. Der Familienvater, Baron Georg von Trapp, war ein Marineoffizier, der in den turbulenten Jahren zwischen den beiden Weltkriegen, das gesamte Familienvermögen durch den Konkurs einer Bank verlor. Seine Frau Agathe war schon 1922 an Scharlach verstorben, und weil auch seine Tochter Maria erkrankt war, suchte er das Kloster Nonnberg in Salzburg auf, um dort jemanden zu finden, der sich um das Mädchen kümmern würde. Maria Kutschera, eine junge Frau – im Film gespielt von Julie Andrews – übernahm die Stelle und verliebte sich im Lauf der Zeit nicht nur in die sieben von Trapp Kinder, sondern auch in deren Vater Georg. Hollywood verlegte die Trauung in die Zeit kurz vor dem zweiten Weltkrieg, tatsächlich aber heirateten Maria und Georg schon über ein Jahrzehnt früher im Jahr 1927.
Es war der Priester Franz Wasner, der die musikalischen Talente der Familie zuerst erkannte. Er war zu den von Trapps gezogen, als Vater Georg Pensionsgäste in sein Haus aufnahm, um die Unterhaltskosten der Familie tragen zu können. Der Geistliche setzte die schon von der leiblichen Mutter Agathe begonnene musikalische Ausbildung fort, und in der Folge gewann die von Trapp Familie, wie es auch in Meine Lieder – meine Träume dargestellt wird, im Jahr 1936 den ersten Preis bei den Salzburger Musikfestspielen. Doch anders als im Film war das nicht die Nacht ihrer Flucht ins Ausland.
Tatsächlich nutzte die Familie den Erfolg ihres Festivalsieges und begab sich auf eine Tournee durch Europa. Neben klassischer Musik sangen sie Madrigalen und vor allem auch Volkslieder. Dem Erfolg war es auch zu danken, dass ihnen eine Karriere als Tournee-Musiker in Amerika offenstand – allerdings erst, nachdem sie Österreich verlassen hatten.
Wie ist ihnen das gelungen? Zuerst einmal sind die echten von Trapps nie mit ihren Instrumenten in den Händen auf irgendwelche Berge gestiegen und sie sind vor allem nicht in die Schweiz gegangen – für die Überquerung des am nächsten gelegenen Schweizer Grenzübergangs in der Nähe von Valsot im Kanton Graubünden hätten sie vermutlich fast drei Tage und drei Nächte gebraucht, wenn sie keine einzige Pause eingelegt hätten.
Es war ein Glück für die von Trapps, dass es einen einfacheren Weg gab: Bei Tageslicht und vollkommen legal und offen nahmen sie den Zug. Bevor die Familie jedoch ihr Ziel in Amerika ansteuerte, begab sie sich zunächst nach Italien, weil Georg die italienische Staatsbürgerschaft hatte. In Amerika tourten die Trapp Family Singers, wie sie dort genannt wurden, dann mehr als ein Jahrzehnt, bevor sich die inzwischen erwachsenen Familienmitglieder trennten, um andere Karrieren als die des Gesangs zu verfolgen.
Maria von Trapp und die Trapp Family Singers haben zwar nie einen Fuss in die Schweiz gesetzt, aber sie wurden die vielleicht bekanntesten Vertreter alpiner Kultur in den Vereinigten Staaten, die im Land Volkslieder und traditionelle Alpentrachten bekannt machten. In einem heute berühmten Fernsehauftritt brachten sie Julie Andrews, die im Film die Maria spielte, sogar das Jodeln bei. In Hollywood nimmt man es mit historischen Details nicht so ganz genau, aber es ist gut, sich darauf zu besinnen, dass die Wirklichkeit oft ebenso inspirierend sein kann wie die Fiktion.