Bei den Knien fängt es an. Dann kommen die Augen dran und so wie du älter wirst, verlierst du auch langsam das Gedächtnis, denn wir neigen dazu, Dinge zu vergessen. Nicht nur Namen und Gesichter, auch die wichtigen Dinge des Lebens kommen an die Reihe – die Lektionen, die wir schon ganz früh als Kinder gelernt haben.
Mit dem Erwachsenwerden lernen wir, dass die Welt ganz schön komplex ist. Angefüllt mit schier unlösbaren Problemen wie Kriege, dem Klimawandel und globalen Pandemien. Darüber hinaus haben wir hochgesteckte, aber oft schwer zu realisierende gesellschaftliche Ziele, wie zum Beispiel die Schaffung eines funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs, ein verantwortungsbewusstes Gesundheitswesen oder ein faires Steuersystem. Für keins davon gibt es eine einzige, unkomplizierte Lösung.
Noch schlimmer ist, dass wir selbst dazu neigen, alles noch weiter zu verkomplizieren. Die sogenannten „kognitiven Verzerrungen“ beschreiben die menschliche Tendenz, eine komplexe Hypothese stets einer einfachen vorzuziehen. So konstruieren wir uns die kompliziertesten, bis zur Absurdität detaillierten Fitness- und Ernährungspläne, um unsere guten Vorsätze für das neue Jahr zu erfüllen, anstatt uns einfach zu sagen: Ab heute essen wir gesünder und bewegen uns mehr. Und um in unserem Leben einen Sinn zu finden, stürzen wir uns auf äusserst komplizierte Religionen mit Jahrtausende alter Geschichte, Gesetzen und Traditionen.
Anfang der 2000er Jahre erschien ein Buch mit dem Titel Der Bibel-Code von Michael Drosnin, das vorgab, uns alle in den Texten der Bibel verborgenen und kodierten Geheimnisse zu entschlüsseln – als wäre der Text selbst nicht schon komplex genug. Der Moderator einer Late-Night-Talkshow fragte einmal, warum der Autor so viel Zeit darauf verschwendet habe, versteckte Botschaften zu finden, wenn wir uns nicht einmal an die halten könnten, die wir vor der Nase hätten, wie zum Beispiel das berühmte Wort von Jesus: Du sollst deinen Nachbarn lieben wie dich selbst.
Konfuzius – der ganze fünf Jahrhunderte vor dem historisch bekannten Jesus lebte –, hätte dem Moderator wahrscheinlich geantwortet: „Das Leben ist wirklich einfach, aber wir bestehen darauf, es uns kompliziert zu machen.“
Hier sind nur ein paar der vergessenen Lehren, die uns unsere Familien und Lehrer beigebracht haben, als wir noch klein waren:
Sei nett. Schlag dich nicht. Spiel fair. Wasch deine Hände. Bring genug mit, damit du mit anderen teilen kannst. Räum deine Sachen auf. Sag die Wahrheit. Nimm nichts, was dir nicht gehört. Sag Guten Tag und Auf Wiedersehen, Bitte und Danke. Verbringe viel Zeit im Freien. Sorge dafür, dass sich jeder bei dir willkommen fühlt. Haltet euch bei den Händen und haltet zusammen. Iss grünes Gemüse. Schlafe viel. Geniesse gute Geschichten. Lache.
Genau wie mit den Nachbarn, die man lieben soll wie sich selbst, sind auch diese einfachen Regeln gar nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. Man könnte eigentlich sein ganzes Leben damit verbringen zu lernen, wie man sie anwenden soll.
Was wäre, wenn wir es tatsächlich täten?