Die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, ist für viele Menschen sehr wichtig – jedenfalls mindestens für eine Sekunde. Bevor alles gestohlen wird. Oder verloren geht. Doch was von beiden ist es eigentlich genau? Und trifft die Technologie wirklich die ganze Schuld für unsere zunehmende Unfähigkeit, uns zu konzentrieren?
In unserem Streben danach, einen immer gleichmässigeren Arbeitsablauf zu erlangen, war Technologie nie wichtiger als heute. Wir haben Apps, die uns sagen, wo wir geparkt haben und Smartwatches, die unseren Blutdruck und unseren Schlafrhythmus kontrollieren. Wir haben uns der Notwendigkeit entledigt, über Nichtigkeiten nachdenken zu müssen und lassen uns gleichzeitig von Social Media Fokus-Gurus betreuen. Und dennoch fällt es uns immer schwerer, uns zu konzentrieren.
Zum Teil ist die konstante Berieselung mit Mikro-Stimulationen schuld daran, denen wir angefangen bei den Klingentönen von Benachrichtigungen und Nachrichten bis hin zu neuen Mails oder Meldungen den gesamten Tag hindurch ausgesetzt sind. Genau wie unsere Telefone, befinden wir uns selbst in einem permanenten Zustand der Alarmbereitschaft, und es ist genau das, was unsere Aufmerksamkeit beeinträchtigt und sich sowohl auf unser Gedächtnis als auch auf unseren Schlaf auswirkt.
Die Technologie ist so eng mit unseren Leben verbunden, dass laut einer Studie 90% der Jugendlichen angaben, Phantomvibrationen zu spüren – das heisst, sie sind davon überzeugt, ein Brummen in ihrer Hosentasche gespürt zu haben, das von einer Nachricht auf Instagram oder einem Fussballergebnis stammt – nur, da ist gar keine Nachricht. Wenn es also nicht einmal der Generation der „Digital Natives“ gelingt, einen digitalen Entzug ohne Entziehungserscheinungen in Form von Technik-Halluzinationen zu überstehen, wie sollen sich dann die Erwachsenen in dieser Arbeitswelt zurechtfinden?
Kurz gesagt: Es ist nicht ganz so einfach, wie es scheint. In ihrem Buch Attention Span: Finding Focus for a Fulfilling Life (Aufmerksamkeitsspanne: Den Fokus für ein erfülltes Leben finden) formuliert es die Kognitionspsychologin Gloria Mark in etwa so: Obwohl wir alle immer wieder den Verlockungen des Scrollens in den Dopamin triefenden Sozialen Netzwerken erliegen, gelingt es uns dennoch meist recht gut, unseren eigenen Weg zu finden. Teilnehmer an einer Studie erklärten, sie würden ihre Medieneingänge 77 Mal pro Tag checken, aber 41% davon taten es aus eigenem Antrieb. Mit anderen Worten, wir können nicht nur die Benachrichtigungen für unsere Unkonzentriertheit verantwortlich machen.
Das wirft die Frage auf, ob das, was uns daran hindert, einen gleichmässigen Ablauf in unser Leben zu bringen, tatsächlich die Technologie ist oder ob wir es einfach selbst herbeiführen. Genauso wie einige Menschen besser morgens arbeiten, während andere Nachteulen sind, mag es Menschen geben, die einfach anfälliger dafür sind, in die YouTube-Falle zu treten, wenn sie in Wirklichkeit gerade letzte Hand an eine Auftragsarbeit legen sollten.
Vielleicht ist Achtsamkeit in diesem Fall die wahre Lösung gegen schwindende Aufmerksamkeit. Statt am Ende des Tages deine Bildschirmzeit auf den Apps zu prüfen, solltest du dich lieber fragen, warum du das alles überhaupt geklickt hast. Vielleicht warst du ja müde. Oder du warst gelangweilt. Kann sein, es war gerade dieser Link, der dir genau in dem Moment eine sehr nötige Entspannung verschaffte. Es mag aber auch sein, dass es gar nicht dein einziges Ziel sein sollte, in einer Welt, die dermassen auf Produktivität getrimmt ist, 100% der Zeit konzentriert zu sein.