Frauen ereifern sich schon seit Jahren darüber: Warum haben Männer Hosentaschen und Frauen nicht? Damit wir uns richtig verstehen, Frauen haben in ihren Hosen schon ein paar Taschen, aber sie sind eben kleiner, enger und nicht so tief wie die der Männer.
Der Beweis findet sich in The Pudding, einem digitalen Magazin, das im Jahr 2018 40 Damenjeans mit 40 Herrenjeans verschiedener Marken und aus jeweils unterschiedlichen Preisklassen miteinander – sozusagen Tasche an Tasche – verglichen hat. Man hat dabei festgestellt, dass die Taschen in Damenjeans „48 % kürzer und 6,5 % enger sind als die Taschen in Herrenjeans“.
Um zu verstehen, was diese Grössenunterschiede in Wirklichkeit bedeuten, hat man versucht, eine Reihe von Dingen in die jeweiligen Hosentaschen zu stecken: 3 verschiedene Modelle von Handys und einen Stift. Nur 10 % (insgesamt also 4 Jeans) der getesteten Damenjeans hatten Taschen, die gross genug waren, damit überhaupt eine Frauenhand hineinpasste und das galt nur für die Modelle im unteren (weniger als $50) und mittleren Preissegment ($50-$99). Bei den Jeans der oberen und obersten Preisklassen ($100-$149 and $150+) hatten Frauenhände kein Glück – sie passten in keins der Modelle. Tatsächlich waren die Jeanstaschen im höchsten Segment ($150+) sogar vollkommen nutzlos für fast alles, was man hineinstecken wollte. Ganz allgemein passte in nur eine von 40 ein Portemonnaie, in nur 4 von 40 ein Stift und in nur eine von 40 passte eins der drei Smartphone-Modelle – das iPhone X.
Angesichts dieses umgekehrten Verhältnisses von Preis und Grösse von Hosentaschen ist es verlockend, sich Gedanken darüber zu machen, in welchem Masse Hosentaschen mit der Vorstellung von sozialer Klasse verbunden sind. Wer hat denn ein Interesse daran, eine Menge Werkzeuge und diesen und jenen Krimskrams in seine Hosentasche zu stopfen? Die Arbeiterklasse, genau die! Keine Taschen zu benötigen, ist ein fast eindeutiges Zeichen für Reichtum, das vielleicht sogar darauf hindeutet, dass man andere dafür hat, die die Dinge für einen tragen. Und vielleicht war das genau der Grund dafür, warum nur die Damenjeans aus dem unteren Preissegment aus der The Pudding-Studie nutzbare Taschen hatten. Wer einen hohen Preis für eine Jeans zahlen kann, dem scheinen die Hersteller sagen zu wollen: Du bist bestimmt nicht die Art von Mensch, die Hosentaschen dafür braucht, um Sachen hineinzustecken. Aber klar, das alles galt nur für Damenjeans, denn 100 % der getesteten Herrenjeans in allen verschiedenen Preissegmenten verfügten über Taschen, die gross genug waren, dass die Träger dieser Hosen ihre Hände hineinstecken konnten.
Andererseits kann man sagen, dass auch Männer einen guten Anteil an fast nutzlosen Taschen haben. Es gibt Taschen an Anzugjacketts, die vor dem Versand zugenäht werden, damit Leute, die sie anprobieren, ihre Hände nicht hineinstecken können und sie auf diese Weise ausbeulen. Viele dieser Taschen werden aus denselben anti-ästhetischen Gründen tatsächlich oft nie geöffnet. Es gibt auch kleine Fake-Taschen, die zwar aussehen wie eine Tasche, die aber tatsächlich nie benutzt werden können (und werden sie geöffnet, hinterlassen sie nur ein Loch). Und dann gibt es natürlich noch diese komischen, kleinen Taschen für Münzen an Hosen, die – so erklärt es jedenfalls Levi‘s – für Cowboys gemacht wurden, damit sie ihre Uhren dort hineinstecken konnten – das sind also Uhrentaschen. Aber die meisten dieser zugenähten, fake oder komischen Taschen, fand man in der The Pudding-Studie heraus – werden an Herrenbekleidung durch echte und tatsächlich zu gebrauchende Taschen in guter Grösse wettgemacht. Die Tatsache, dass Frauen nur selten ein derartiger Ausgleich zugestanden wird, ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir in einer Männerwelt leben – und zwar mit Absicht.
Und da sich die taschenlosen Frauen der Welt zu diesem gemeinsamen Anliegen zusammentun, fragt man sich: Wie soll das alles weitergehen? Die Hersteller von Apple- und Android-Geräten könnten den Trend hin zu immer grösseren Handys, die nicht nur nicht in die Hosentaschen von Frauen passen, sondern die für sie auch schwer zu handhaben sind, durchaus umkehren. Und Taschenbücher, Stifte und sogar Notizbücher könnten kleiner werden und endlich die Grösse bekommen, damit sie in die Hosentaschen passen, mit denen Frauen heute leben müssen.
Die wohl einfachste Antwort auf diese Frage könnte die Modebranche geben, indem sie mehr Frauen genau das gibt, was sie eigentlich wollen. Keine Hosentaschen in der Grösse von Männerhosen, aber Taschen für echte Frauen, Taschen, in die ihre Hände, ihre Portemonnaies, ihre Schlüssel, ihre Handys und auch ihre Werkzeuge spielend passen – und das in jedem Preissegment, das sie zahlen können oder wollen.