Pass auf die Hämmer auf!

Von wo hat man den schönsten Blick auf Porto; und wo ist das beste Lokal, um Reis mit Hühnerblut zu essen? Wir haben mit der gebürtigen Portuenser, der Grafikdesignerin Marta Ribas, auf Zoom ein Gespräch darüber geführt, warum die Einwohner von Porto so gern fluchen, sich gegenseitig mit Hämmern versohlen und warum ihnen daran liegt, dass sich hier alle richtig zu Hause fühlen.

Open: Du stammst aus Porto, was würdest du einem Fremden über die Stadt sagen?
Marta: Es ist eine echt schöne Stadt, aber ich stamme ja aus Porto und bin in die Stadt verliebt, es ist eben mein Zuhause. Ich glaube aber, so fühlt es sich für alle Menschen an, die zu Besuch kommen. Die Stadt ist sehr gastfreundlich, macht irgendwie direkt gute Laune und es ist sehr viel los. Porto ist nur halb so gross wie Lissabon, darum lernt man hier leichter Leute kennen.

Wenn dich Freunde besuchen kommen, wohin nimmst du sie immer mit?
Zu mir nach Hause.

Wirklich?
Ja, und dabei spielt es keine Rolle, was für Freunde es sind, oder ob sie ein paar Monate oder ein paar Stunden bleiben, ich nehme sie immer zuerst mit zu mir.

Warum ist das so?
Es ist einfach ein guter Ort. Ausserdem ist es für die Menschen aus Porto sehr typisch, glaube ich – wir wissen, wie man Menschen willkommen heisst und ihnen das Gefühl vermittelt, sich zu Hause zu fühlen. Wir sind sehr stolz auf unsere Kultur und nehmen Menschen immer gern mit zu uns nach Hause.

Was ist dein Lieblingsviertel?
Bairro das artes, das Künstler- oder Kunstviertel. Wahrscheinlich bin ich voreingenommen, denn hier habe ich mein ganzes Leben lang gelebt, aber es ist immer etwas los. Es gibt sehr viele Kunstgalerien, Design-Studios, Co-working-spaces überhaupt alles, was mit Kunst und Design zu tun hat. Hier lebt eine fantastische Mischung von Leuten, die, die schon ewig hier sind und die frisch Angekommenen, die vielleicht gekommen sind, um hier zu arbeiten. Man versteht sich auf Anhieb, die Leute begrüssen sich auf der Strasse und rufen sich „Hallo“ zu.

Hat sich das Viertel für dich sehr verändert?
Vor 20 Jahren eröffneten die ersten paar Galerien und jetzt ist die Gegend voll davon. Wir haben jeden Monat neue Ausstellungen, wenn neue Galerien eröffnen, und das lockt die Leute auf die Strasse und sie ziehen um die Häuser. Ausserdem ist die Stadt zu einem Magnet für viele jungen Menschen geworden.

Das ist jetzt vielleicht eine dumme Frage, aber trinkt hier wirklich jeder Portwein?
Natürlich tun sie das! Und so sollte es auch sein – es ist ein fantastisches Getränk. Es ist das Getränk schlechthin, wir trinken es nach dem Mittag- oder Abendessen, nach dem Dessert, und überhaupt, wenn wir nach Tisch noch sitzen bleiben und uns unterhalten. Ganz allgemein ist es allerdings nicht unbedingt das Getränk, dass ich mir in einer Bar bestellen würde, aber alle haben Portwein zu Hause, und üblicherweise bringen wir eine Flasche mit, wenn wir irgendwo eingeladen sind!

Wird er nur nach dem Essen getrunken?
Nicht immer. Roter Portwein ist für danach, aber du kannst ihn auch als Aperitif trinken. Ein Port Tonic ist ein Cocktail mit Portwein und Tonic Wasser. Aber dafür nehmen wir weissen Portwein, nicht den roten.

Was macht die Leute von Porto noch anders?
Wir lieben Traditionen. Viele Bewohner von Porto stammen eigentlich aus den Dörfern, die um die Stadt liegen, und mit denen bleiben sie ihr Leben lang stark verwurzelt. Ausserdem sind wir sehr leidenschaftlich. Wir empfinden alles sehr tief und nehmen die Dinge nicht einfach auf die leichte Schulter. Vielleicht liegt es daran, dass wir auch sehr laut sind. Ausserdem sind wir super direkt! Darum klingt es manchmal, als wären wir schlecht gelaunt, aber das ist keine Absicht. Wir sind einfach davon überzeugt, dass es am besten ist, die Dinge immer beim Namen zu nennen. Es ist, als wenn wir keine Filter hätten und wer weiss, vielleicht fluchen wir deshalb so viel und so gern.

Wenn ihr schlecht gelaunt seid?
Nicht nur, wir fluchen auch, wenn wir uns wohlfühlen. Dann besonders!

Stell dir vor, du bist an einem sehr belebten Ort, zum Beispiel auf einem Flughafen, woran würdest du sofort erkennen, ob jemand aus Porto stammt? Weil sie so fleissig fluchen?
Genau über dieses Thema habe ich gerade noch vor ein paar Tagen mit meiner Familie gesprochen. Meine Tante sagte, Portugiesen erkennt man am Flughafen sofort daran, dass sie immer ihre ganze Familie dabeihaben – doch das gilt für alle Portugiesen. Wenn du aber wissen willst, was jemanden aus Porto ganz speziell ausmacht, so erkennst du sie am pronúncia do norte – am Dialekt aus dem Norden. Darüber gibt es sogar ein Lied!

Vorhin hast du von Traditionen gesprochen, welche liegt dir besonders am Herzen?
Manche Feiertage! Gerade haben wir noch unseren grössten gefeiert, die Johannisnacht, São João, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni. Es ist eine Nacht, in der keiner hier in Porto ein Auge zumacht und alle haben einen kleinen Spielzeughammer dabei und den benutzen sie, um sich damit gegenseitig auf die Köpfe zu hauen und dann macht es so ein kleines Quietschgeräusch.

Das klingt gut – oder ist es riskant?
Keine Angst, es tut nicht weh, die Hämmer sind aus Plastik. In der Nacht werden auch überall Feuerwerkskörper abgefeuert, wir trinken viel und essen jede Menge Sardinen. Es ist ein echt grosses Fest und ein ganz besonderer Tag, die ganze Stadt ist abgesperrt, und wir lassen es richtig krachen.

Was ist dein Lieblingsessen, vielleicht etwas, das man nicht unbedingt in einem Restaurant findet?
Eins meiner Lieblingsessen ist arroz de cabidela, ein sehr typisches Gericht, in dem Hühnerblut verwendet wird, um den Reis darin zu kochen. Dadurch wird er braun. Man kann es nur manchmal in einem Restaurant finden, meistens ist es ein Gericht, das zu Hause zubereitet wird. Meine Mutter kocht es immer.

Schlachtet ihr das Huhn selbst, um an das Blut zu kommen?
Nur manchmal. Hier in Portugal kann man das Blut beim Metzger kaufen.

Wenn du einen guten Blick auf Porto haben willst, wohin gehst du dann?
Porto liegt auf sehr steilen Hügeln an einem Fluss, darum gibt es viele gute Orte. Aber es gibt ein wirklich schönes Restaurant, es heisst Décimo Sétimo, und das bedeutet 17te, weil es in der siebzehnten Etage eines Gebäudes ist. Man kann auch auf die andere Douro-Seite gehen, da liegt die Stadt Vila Nova de Gaia, hier in Porto sagen die Leute, das Beste an Gaia ist der Blick auf Porto!

Was macht man am besten an einem heissen Tag?
Die versteckten Gärten Portos erkunden! In Porto gibt es sehr viele Cafés und Restaurants, die in oft sehr alten Gebäuden liegen, von denen viele nach hinten raus langgezogene Gärten haben, von denen die meisten Leute gar nichts wissen. Du nimmst dir also einen Tisch vor dem Café und dann gehst du nach hinten und siehst dir den Garten an – das stört die Wirte überhaupt nicht!

Das klingt wunderbar, Marta! Danke für deine ganz persönlichen Geheimtipps für Porto.

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