Tatsächlich kommt das Projekt, klein zu werden, genau aus dem Land, das nie damit zögert, die Welt wissen zu lassen, wie grossartig es ist. In den Vereinigten Staaten ist ein privates Projekt im Gange, ein Touristenziel zu bauen, das es in diesem Land noch nie gegeben hat: Einen grossen Park, voll all der Gebäude im Miniaturformat, auf die das Land stolz sein kann.
Aber wer weiss, vielleicht doch nicht allzu klein, denn neben Tausenden von Autos, Hunderten von Zügen und Dutzenden tatsächlich fliegenden Flugzeugen verspricht der Mini America Park bis 6 Meter hohe Nachbildungen der bekanntesten Wolkenkratzer des Landes, die seine Besucher also auch hier überragen. Mit all dem gibt man gleichzeitig auch dem Wort „Miniaturmodell“ eine ganz neue Bedeutung.
Wenn er fertig ist, wird sich der Mini America Park in eine Reihe seit langem bestehender nationaler Parks dieses Typs einreihen, wie Minitalia Leolandia (Italien), Miniatürk (Türkei), den Splendid China Miniature Park und Swissminiatur in der Schweiz. Obwohl viele dieser Parks im 20. Jahrhundert angelegt wurden, hat unsere Faszination mit winzigen Gebäuden und Welten eine sehr viel längere Geschichte.
Schon im alten Ägypten wurden Gebäudemodelle für die Stadtplanung verwendet, man denke nur an das massstabsgetreue Miniaturmodell einer Stadt, das Indiana Jones in einer mit Schlangen gefüllten Grube entdeckt und das ihm dabei hilft, den Aufbewahrungsort der Arche in dem Film Jäger des verlorenen Schatzes zu finden. Schon die Inkas oder andere Zivilisationen im präkolumbianischen Amerika legten aus Felsblöcken herausgeschlagene Stadtmodelle (mit möglicherweise funktionsfähigen Bewässerungssystemen) an. In christlichen Mosaiken oder Fresken werden oft Heilige oder Könige dargestellt, die Jesus Stadtmodelle als Opfergaben darbieten, und in der Renaissance entstanden zahllose Modelle berühmter italienischer Monumente.
König Ludwig XIV. von Frankreich liess ganze Städte in Miniaturmodellen nachbauen, um ihre Verteidigungsmöglichkeiten physisch abzubilden – und ging es dabei auch um Gebäude in Spielzeuggrösse, seine Kommandanten spielten bestimmt keine Spielchen damit. Tatsächlich werden schon seit dem Altertum von militärischen Führern und Strategen massstabsgetreue Modelle angelegt, um Schlachtfelder zu simulieren, Truppenbewegungen zu planen und wirkungsvolle Strategien zu entwickeln. Wahrscheinlich kann man in diese ganze Liste von Nachbauten auch Kunststoffmodelle von Rennwagen, Zinnsoldaten oder Puppenhäuser von Kindern und die berühmten Krippenszenen aus Neapel einordnen, wenn es um unsere Begeisterung für kleinere Versionen des Lebens geht. Doch warum ist das so?
Aber seien es nun Spielzeuge, Städte oder Kriegsspiele, alle unsere winzigen Nachbildungen erfüllen vermutlich ein und denselben Zweck: Sie ermöglichen uns einen Blick aus der Vogelperspektive auf Sehenswürdigkeiten, die normalerweise sehr viel grösser sind, und sie vermitteln uns überdies das Gefühl, wir würden Kontrolle über die uns umgebende Welt ausüben. Natürlich helfen sie auch Entfernungen schrumpfen zu lassen, wie es der Miniaturpark Madurodam in seiner Werbung anbietet: „Holland in einer Stunde entdecken“. Vor allem aber dienen sie dazu, zu überzeugen und zu kommunizieren, denn Architekten benutzen sie seit ewigen Zeiten, um die Finanzierung ihrer Projekte gleichwohl von alten Pharaonen wie modernen Investoren zu bekommen, und Staaten haben sie anlegen lassen, um ihren Bürgern all die netten Dinge vor Augen zu führen, die das Land zu bieten hat. Um eure wahre Grösse zu erkennen, scheinen sie zu sagen, solltet ihr klein anfangen.
Natürlich machen sie auch ganz einfach Spass. Besonders wenn man mit ein paar Schritten die Bosporus-Brücke in Istanbul überqueren oder Locarno mit seiner cineastischsten Piazza der Schweiz von oben ausspionieren kann. Miniwelten können jedem Menschen die Magie zurückgeben, wieder mit Spielzeug zu spielen (besonders seitdem das heute beliebteste Medium für den Bau von Modellen Lego zu sein scheint) und sind dabei immer noch in einem Massstab, dass wir uns klein fühlen können.