Es scheint eine vergessene Parallelwelt zu sein, in die man eintaucht, wenn man durch Foroglio, San Carlo oder Roseto wandert, drei der 12 Dörfer im Val Bavona, ein Tessiner Tal, das für seine Nachhaltigkeit mit dem Global Vision Award 2022 ausgezeichnet wurde, der prestigeträchtigen Auszeichnung des US-Magazins Travel + Leisure.
Im Norden des Tessins, nur 80 km von Lugano entfernt, scheint die Zeit stillzustehen. Inmitten ausgedehnter, kühler Kastanienwälder finden sich auf sieben Kilometern auf beiden Seiten des gleichnamigen Flusses kleine Dörfer, überragt von einem 110 Meter hohen Wasserfall und geprägt von steil aufragenden Felswänden. Die wilde Formation des Tals ist Ergebnis schwerer Erd- und Geröllrutsche. In Jahrhunderten haben die Menschen ihr Leben an die zerklüftete Landschaft angepasst. Mit einfachen Bauten unter den Felsen, sogenannten „splüi“, haben sich die Bewohner Unterstände geschaffen; über den Felsen, auch heute noch fester Bestandteil der Landschaft, sind geschützt vor den Ziegen kleine Gemüsegärten entstanden.
Als in den 1950er Jahren auch hier Stromkabel verlegt werden sollten, hielten die Bewohner elektrisches Licht für einen Luxus, auf den man eigentlich verzichten konnte. Weshalb man auch heute noch den Zauber dieser wilden Kulturlandschaft praktisch unverändert erleben kann: Die Steinhäuser sind nur in der Zeit von April und Oktober bewohnt, sie werden noch mit Kerzen beleuchtet und Energie wird ausschliesslich durch Sonnen- und Wasserkraft gewonnen.
Das Handy? Einmal angekommen, werden Verbindungen nach draussen eher schwierig. Nicht nur technisch. Im Val Bavona sind die einzig wichtigen Verbindungen, die zu einer spektakulären Natur, zu einer Vergangenheit, die Gegenwart ist, und zu sich selbst, weit weg vom chaotischen Alltagsleben.