Mit der Hilfe hunderter glücklich zappelnder Würmer holt das Züricher Unternehmen WormUp die Kompostierung ins Haus. Mitbegründerin und Leiterin der Happiness-Abteilung Sarah Steiner sprach mit Open über das Schweizer Unternehmen, darüber, wie sich Kreise schliessen und über das Geheimnis erfolgreicher Wurm-Kompostierung.
Open: Wie kamt Ihr darauf, die Kompostierung ins Haus zu holen?
Sarah Steiner: Ursprünglich entstand die Idee aus der Frustration heraus, innerhalb einer Stadt organischen Abfall nicht kompostieren zu können, wie es damals in Zürich der Fall war. Mein Kollege und einer der Mitbegründer baute zu dieser Zeit auf einem sehr grossen Balkon Tomaten an, und brauchte Kompost. Also suchten wir nach einer Möglichkeit, wie man in einer Stadtwohnung, also ohne Garten, kompostieren kann.
Die meisten Heimkompostierer sind aus Kunststoff, Eurer ist aus Keramik, warum?
Wir wollen recyceln, wir wollen in natürlichen Kreisläufen leben und handeln. Darum suchten wir nach einem Produkt mit einer langen Lebenszeit. Wenn man es in seiner ursprünglichen Form benutzt, zerbricht Keramik für gewöhnlich nicht – immerhin finden wir noch heute Vasen aus griechischen und römischen Zeiten. Sie halten ewig und belasten die Umwelt nicht. Unser Produkt ist ziemlich stabil – manche Leute verwenden es auf ihrem Balkon sogar als Sitzgelegenheit. Sollte es trotzdem kaputtgehen, kann es ganz einfach recycelt werden. So schliesst sich ein Kreis.
Mal abgesehen von der Lebensdauer, er sieht wirklich wie etwas aus, das man gern im Haus hat.
Das war unser zweites grosses Ziel: Wir wollten, dass es schön ist, wirklich ansprechend, damit die Leute es nicht nur ansehen, sondern auch berühren wollen, wir wollen Kompost aus der Ekel-Ecke holen, wohin die meisten Menschen es normalerweise stecken. Mit unserem Produkt ist Kompost geruchsfrei, sieht gut aus und wird so zu etwas absolut Natürlichem. Darum geht es uns.
Aber was ist mit den Würmern? Glaubst Du, die Leute wissen, auf was sie sich bei Wurm-Kompostierung einlassen?
Wenn Leute noch nie im Leben kompostiert haben, erwarten die meisten eine Maschine. Sie glauben, sie können immer wieder dieselbe Menge hineingeben und denken, wenn sie nur der Gebrauchsanweisung folgen, wird’s schon klappen.
Aber das stimmt wohl nicht immer?
Man muss ein Gefühl dafür entwickeln – wir nennen es das Wurmgefühl. Um es zu entwickeln, muss man genau hinschauen und begreifen, wie das System funktioniert und was es braucht. Man muss sich der Natur nähern und ein Auge für natürliche Prozesse entwickeln.
Wann weiss man, dass man das Wurmgefühl hat?
Es gibt ein paar Fragen, die ich immer stelle: Kochen Sie gern? Sind Sie leidenschaftlich, wenn es um Ihre Zimmerpflanzen geht? Wenn die Leute dann antworten: ‚Ich bin ein schrecklicher Koch, bei mir brennt sogar das Wasser an!‘ oder ‚Meine Pflanzen sterben und dann werfe ich sie weg!‘ … bin ich mir nicht mehr so sicher. Wenn Sie aber in der Küche gern etwas Neues ausprobieren und wissen, wie man seine Pflanzen gedeihen lässt, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie ein Wurmgefühl entwickeln können. Es geht uns um ein langsames Leben, das man behutsam angeht und nicht um Fast Food. Und am Ende kommt natürlich die Gretchenfrage: Widerstrebt es Ihnen, Würmer anzufassen?
Moment mal, man muss sie anfassen?
Du musst den Kompostierer in der Nähe haben, damit du häufig nachsehen kannst – wir empfehlen alle 2 bis 3 Tage – und man sollte keine Probleme damit haben, die Hand hineinzustecken, ein paar Würmer herauszuholen und sie sich anzusehen. Wie verhalten sie sich? Sind sie agil, bewegen sie sich? Normalerweise sollten sie irgendwo ganz oben und sichtbar sein.
Was wenn nicht? Heisst das, etwas stimmt nicht?
Wenn die Bedingungen nicht gut sind, kann es zu einem Wurm-Exodus kommen. Ist es zum Beispiel zu trocken und zu warm, können die Würmer sterben, dann kompostieren sie sich selbst. Sie verschwinden einfach und das ist ein erheblicher Verlust und natürlich nicht schön. Oder wenn ihnen die Leute zu viel zu fressen geben, kann es ganz plötzlich sehr warm werden, denn dann arbeiten die Mikroorganismen zu schnell und verbrauchen allen Sauerstoff. Dadurch gerät das System aus dem Gleichgewicht, und die Würmer können sterben. Darum raten wir immer: Umsichtig sein und nicht zu viel füttern!
Wie sensibel sind Würmer?
Wenn sie bei Dir ankommen, können sie von all dem Geklapper beim Transport leicht gestresst sein. Vielleicht verstecken sie sich dann erstmal tief in der Erde – Du weisst ja, wenn Vögel auf Würmerjagd gehen, hört man auch immer diese Klopfgeräusche: Klick-Klack! Klick-Klack!
Diese Würmer scheinen also ganz schön schlau zu sein.
Darwin schrieb sein letztes Buch über Würmer. Er verbrachte Jahre damit, sie zu beobachten und mit ihnen zu experimentieren und dann verfasste er sein Buch. Nach den Ergebnissen seiner Tests schrieb er ihnen sogar ein gewisses Mass an Intelligenz zu. Würmer sind einfach faszinierend – wir lernen jeden Tag ein bisschen mehr von ihnen.
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