Ihr nächster Mojito könnte die Welt retten

Wollen Sie die Welt vor der Plastikschwemme retten? Dann trinken Sie sich noch einen Mojito! Denn der Bacardi Rum, der diesen köstlichen Drink aus Limetten, Zucker und Mineralwasser in etwas auf bezaubernde Weise nicht Kinderfreundliches verwandelt, wird Ihnen schon sehr bald aus einer zu 100% biologisch abbaubaren Flasche aus Mikroorganismen eingeschenkt werden.

Polyhydroxyalkanoate oder kurz PHA sind biobasierte und biologisch abbaubare Polymere die auf der Basis bakterieller Fermentation entstehen, sie sind wahrscheinlich die beste Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen aus Petrochemikalien. Der Getränkehersteller Bacardi – zu dem auch Marken wie Grey Goose Wodka, Martini, Dewar’s und Bombay Sapphire gehören – hat sich zur umfassenden Einführung von PHA-Verpackungen entschlossen, um seine Nachhaltigkeitsziele zu erlangen. Das Unternehmen hat erklärt, bis 2030 vollkommen plastikfrei zu sein, und dieses Versprechen schliesst ebenfalls ein, die jährlich verwendeten 80 Millionen Flaschen aus konventionellem Plastik bis 2023 durch Flaschen aus PHA zu ersetzen.

PHA entsteht, wenn Mikroorganismen Biomasse durch Fermentation zu Polymeren synthetisieren – das machen sie leidenschaftlich von Natur aus seit Jahrmillionen. Dabei kann es sich bei der Biomasse zum Beispiel auch um Altspeiseöl handeln, das so sinnvoll wiederverwendet wird. Die am meisten verwendeten Mikroorganismen sind Escherichia coli, aber es gibt eine schwindelerregende Menge von Mikroorganismen mit bezaubernden Namen, die ebenso getestet werden, dazu gehören Aeromonas, Azotobacter, Cupriavidus, Clostridium, Methylobacterium, Ralstonia, Pseudomonas und Syntrophomonas. Viele Firmen, wie die italienische MAIP oder die in den Vereinigen Staaten ansässige Danimer Scientific, haben ihre jeweils eigenen Rezepturen für die Herstellung von PHA aus spezifischen Varietäten von Mikroorganismen entwickelt. Aus der Vielzahl dieser Mikroorganismen entsteht eine Vielzahl von Biopolymeren, die sich jeweils durch die Länge ihrer Kohlenstoffketten unterscheiden (kurz, mittel oder lang), und jede einzelne verfügt über ihre eigenen thermochemischen Eigenschaften.

Diese individuellen Eigenschaften bestimmen nicht nur die Stärke und die Hitzebeständigkeit, sondern auch die Zeitspanne ihres biologischen Abbaus. Der biologische Abbau der neuen Flaschen von Bacardi soll 18 Monate dauern, allerdings kann diese Zeitspanne bei Produkten mit dünneren Materialdurchmessern auch sehr viel kürzer sein. Phade, ein neuartiger Trinkhalm aus PHA, braucht unter Meeresbedingungen nur 58 Tage für seinen Abbau – vergleichen Sie das mit den über 200 Jahren, die ein herkömmlicher Plastiktrinkhalm benötigt! Doch ganz gleich, wie lange es dauert – und die meisten Hersteller existierender PHA Konsumprodukte geben die Zeit für den biologischen Abbau im Gegensatz zu den Tausenden von Jahren für herkömmliche Kunststoffe mit maximal ein bis zwei Jahren an – es geht vor allem darum, dass PHA überhaupt 100% biologisch abbaubar ist. Die einzigen entstehenden Nebenprodukte sind Wasser und Kohlendioxid, aber eben kein Mikroplastik.

Trotz dieser vielversprechenden Bilanz, der industrielle Einsatz von PHA steht noch am Anfang. Auch wenn Organisationen wie GO!PHA sich grosse Mühe geben, Wissenschaft, Industrie und Öffentlichkeit zusammenzubringen, bleiben noch viele Herausforderungen. Denn obwohl PHA sich perfekt für zahllose industrielle Anwendungen eignet, von der Lebensmittelverpackung bis zum Kugelschreiber, kann es bisher noch nicht alle Arten herkömmlicher Kunststoffe ersetzen. Dabei geht es vor allem um Anwendungen, die eine hohe Hitzebeständigkeit und eine lange Lebensdauer unter anspruchsvollen klimatischen Bedingungen erfordern.

Eine weitere Herausforderung ist die Entsorgung der PHA Produkte. Denn obwohl der TÜV Austria als ein globaler Zertifizierer industriellen Biokunststoffs erklärt hat, PHA sei in Erde, Wasser und Meer biologisch vollkommen abbaubar, sollten Sie natürlich dennoch Ihre Rumflasche nicht einfach ins Meer werfen – ganz gleich, wie viele Mojitos sie sich genehmigt haben. Je mehr der Gebrauch von PHA und anderen Biokunststoffen zunimmt, und das ist mehr als wünschenswert, desto mehr müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die ihren grossen Vorteil, nämlich die Rückführung in den Kreislauf der Natur, organisiert und für alle zugänglich macht. Doch ganz abgesehen von diesen Herausforderungen nimmt die Verwendung von PHA mit gewaltigen Sprüngen zu. Also halten Sie Ihr Fernglas bereit und sehen Sie sich um nach biobasierten und biologisch abbaubaren Produkten aus PHA, die zunehmend in allen möglichen Bereichen auftauchen. Und jetzt hebt eure Gläser, meine Lieben – die PHA Flasche, aus der euer Rum gerade geflossen ist, hat möglicherweise gerade die Welt vom Plastik gerettet.

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