Alles begann mit einem Spiel: Die Geschichte des QR Codes

Seine Erfindung vor knapp dreissig Jahren revolutionierte die Welt der Logistik ebenso wie die der Herstellung, und heute erweist sich seine Anwendungspalette in den Bereichen Marketing und Kommunikation als schier endlos. Es geht um ein kleines Rasterbild, meist nicht grösser als ein Daumenabdruck, das in der Lage ist, in Form von Zeichen, Tausende Informationen zu enkodieren. Wovon ist hier die Rede? Vom einfachen, doch allgegenwärtigen QR Code.

Wir sind in Japan, Anfang der 1990er Jahre, der Industriedesigner Masahiro Hara stösst auf ein Problem. Seine Firma, Denso Wave, ist ein Tochterunternehmen des Automobilherstellers Denso, der wiederum ein Ableger der Toyota Gruppe ist, und Hara ist spezialisiert auf die Herstellung von Lesegeräten für Barcodes im Bereich Logistik, aber mit jedem Tag werden ihm die Grenzen des Barcodes deutlicher bewusst. Ja, Barcodes sind allgegenwärtig, und ja, sie können schnell und sicher von den Maschinen seines Unternehmens gelesen werden, aber die Menge an Informationen, die sie transportieren können, ist beschränkt, es können nicht mehr als maximal zwanzig alphanumerische Zeichen enkodiert werden. Dazu kommt, wir befinden uns in Japan, wo mehrere unterschiedliche Schriftarten im Gebrauch sind, und wo Hersteller verzweifelt nach einer Möglichkeit suchen, wie man Kanji encodieren kann, die logographischen chinesischen Schriftzeichen, die auch ins Japanische Eingang gefunden haben.

Ein Spiel brachte die Inspiration

Es gibt sie, diese wunderbaren Geschichten, wenn plötzlich alle Lampen angehen, Geschichten, die fast zu gut klingen, um wirklich wahr zu sein, für Hara jedenfalls kam die Erleuchtung während seiner Mittagspause, die er oft auch für ein kleines Spielchen Go nutzte. Er sass da, überlegte sich seinen nächsten Zug und konzentrierte sich auf das Spielbrett mit seinem quadratischen Raster und dem darauf liegenden Muster aus schwarzen und weissen Steinen. Jede Reihe und jede Ansammlung von Steinen steht entweder für Angriff, für Verteidigung, eine Finte oder eine Strategie, immer jedoch stecken mehr als tausend Jahre Tradition und Spieleifer, Kommunikation und auf ganz eigene Weise, die gesamte lange Geschichte dieses Spiels mit darin. Mit einem Schlag sah er alles deutlich vor sich, dieses Bild, diese Muster, genau das könnte der neue Weg für die Encodierung von Informationen sein.

Als er im Jahr 1994 vorgestellt wurde, war der QR Code – und ist es immer noch – eine Revolution für die Codierung und das Lesen von Daten. Statt der begrenzten Menge von zwanzig Zeichen des Barcodes kann der Quick Response Code mehr als 7‘000 Zeichen fassen – natürlich auch Kanji. Informationen können hier sowohl horizontal wie vertikal angeordnet werden, darum bezeichnet man ihn auch im Gegensatz zum eindimensionalen Barcode als 2D Code. Überdies kann er zehnmal schneller gelesen werden als die damals verwendeten Codes. Mit anderen Worten: Ein Juwel.

Vom Zufall zur Allgegenwart

Nicht alle grossen Ideen schaffen den Sprung in die Allgegenwart so schnell wie der QR Code, aber es gab eine ganze Reihe von Schlüsselmomenten, die ihm auf seinem Weg Pate standen. Zunächst war da die Tatsache, dass Haras Erfindung von seiner Firma umgehend in grossem Massstab angewendet wurde. Entscheidend aber war vor allem Haras Entscheidung, den QR Code für alle freizugeben, sodass er auf der ganzen Welt erstellt und benutzt werden konnte. Bis heute hält Denso Wave das Recht des geistigen Eigentums für den einfachen QR Code (in der Folge entstanden spezielle Variationen), aber das Unternehmen erklärte, von diesem Recht nie Gebrauch machen zu wollen, wodurch der QR Code zu einer Art von Open Source-Technologie wurde, zu öffentlichem Gut. Nach 2002 verbesserte man dann den Zugang zu den QR Codes, als in Japan die ersten Lese-Apps auf den Markt kamen. Im Westen dagegen liess man sich mit der Vermarktung des QR Codes noch Zeit.

Genauer gesagt bis zum Jahr 2017, als zunächst Apple und danach Android eigene Lese-Apps in ihre neuen Betriebssysteme integrierten. Als somit plötzlich jeder eine benutzerfreundliche QR Code Lese-App in der Tasche hatte, entfaltete sich das enorme Potential des QR Codes mit rasender Geschwindigkeit.

Zeitliche Entwicklung des weltweiten Interesses am QR Code

Zunehmende Menge der Google Suchergebnissen von “QR Code”, Jan. 2007 bis May 2021. Quelle: Google Trends.

Komplexe Leistung, simpler Code

Heute lässt sich der QR Code nicht mehr wegdenken, und seine Anwendungsbereiche nehmen täglich zu. Abgesehen davon, dass er Transparenz und Verfolgbarkeit von Autoteilen, Nahrungsmitteln, pharmazeutischen Produkten und vielem mehr bereitstellt, ist der QR Code heute der Mechanismus, der ticketloses Reisen und karten- und kontaktlose Zahlungen ermöglicht – allein in China finden täglich 1,65 Billionen WeChat und Alipay QR Code-Transaktionen statt.  Selbst die Webseite der Kirche von England unterhält Supportseiten, auf denen man dank der QR Code-Technologie kontaktlos spenden kann, man findet QR Codes auf Plakatwänden, in Burger King TV Werbungen und selbst, auch wenn das unglaublich klingt, als Drohnendisplays am Nachthimmel.

Und obwohl wir es nach so vielen Lockdowns und aller sozialen Distanzierung gar nicht erwarten können, endlich wieder jemanden zu berühren und zuzupacken, sind es vielleicht ironischerweise gerade die QR Code Speisenkarten und andere kontaktlose Anwendungen, die uns allen genau dabei behilflich sind, wieder mit einander in Kontakt zu treten.

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