Alessandro Sgotto (48) leitet die Forschungs- und Entwicklungsabteilung für den Bereich Schreibgeräte bei Pagani Pens. Ausserdem koordiniert er das Innovationsteam des Unternehmens. Es gibt also keinen kompetenteren Gesprächspartner, wenn es um das neue Material True Biotic geht. Das Gespräch führte Laura Bazzali, Produktmanagerin Schreibgeräte.
Laura Bazzali: Alessandro, was ist das Revolutionäre an den neuen QS40 True Biotic?
Alessandro Sgotto: (Lacht) Revolution ist ein grosses Wort! Für mich ist das Konzept der True Biotic Gehäuse eher eine Art Zurück in die Zukunft. Und dieser Blick, der ist dann schon vielleicht revolutionär, sicher zumindest evolutionär!
Was meinst du damit?
Innovation kann heute nur noch Hand in Hand mit der der Natur gehen, nicht gegen sie. Wir müssen lernen, natürliche Prozesse und Materialien besser zu verstehen und zu nutzen, also Dinge, die die Natur in Millionen von Jahren perfektioniert hat. Diesen Gedanken in die Praxis umzusetzen, daran arbeiten mein Team und ich mit grosser Leidenschaft – und der neue QS40 True Biotic ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Was unterscheidet ihn von anderen Schreibgeräten?
Bevor ich technisch werde, lass es mich die Antwort in einem Bild zusammenfassen, das das Wichtigste auf den Punkt bringt: Falls das Gehäuse eines True Biotic mal ins Meer gelangen sollte, sinkt es zu Boden, und wird dann schnell und rückstandslos abgebaut. Und wenn du es neben deine Tomaten im Garten in die Erde steckst, wird es von Mikroben zersetzt und wirkt sogar noch wie Dünger. Das kann kein anderes Gehäuse eines Schreibgerätes – auch nicht die, die aus aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen (PLA) produziert werden. Die bleiben im Meer weitgehend in Takt.
Was ist das Geheimnis?
Das innovative Material. True Biotic Gehäuse bestehen aus PHAs. Das sind natürliche Polyesterpolymere, die von verschiedenen Mikroorganismen durch die Fermentation von Zuckern oder Lipiden synthetisiert werden. Es handelt sich um Makromoleküle, die unter bestimmten Bedingungen, wie dem Fehlen von Nährstoffen, von Mikroorganismen als Reserve-Kohlenstoffquelle in Form von Granulat in den eigenen Zellen akkumuliert werden. Auf diese Weise kann PHA bis zu 90% des Trockengewichts eines Organismus ausmachen. Dass die Biopolymere im Rahmen der natürlichen Lebensmittelproduktion dieser Organismen entstehen, zeigt klar wie natürlich ihr Ursprung und wie erneuerbar ihre Produktion ist. Beim Abbau werden nur CO2 und Wasser freigesetzt, die dann wieder in den Kreislauf der Natur eintreten – und alles kann wieder von vorne beginnen.
Kannst Du verraten, woher wir das Material beziehen?
Das ist eine wichtige Frage, weil die Herkunft ein Qualitätsausweis ist. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit MAIP mit Sitz in Turin zusammen. Ein anerkannter Pionier im Bereich innovativer Biokunststoffe. Unser True Biotic basiert auf einer für unsere speziellen Parameter optimierten Variante des Biopolymers «I’m Nature» von MAIP. Dieser PHA-basierte Biokunststoff hat 2017 den renommierten «Global Bioplastic Award» gewonnen. Ein echter Meilenstein. Er ist natürlich durch ein Patent geschützt.
Warum gerade PHAs?
Greenpeace und Institutionen wie das Deutsche Umweltbundesamt verweisen zurecht darauf, dass biobasierte und biologische abbaubare Biokunststoffe nicht per se unser Plastikproblem lösen. Im Gegenteil, da wird viel Greenwashing betrieben. Ein Schreibgerät aus Bioplastik, das man wegen mangelnder Qualität gleich wieder wegwirft, ist schlechter in seiner Umweltbilanz als ein auf lange Lebensdauer ausgelegtes Schreibgerät aus recyceltem oder sogar normalem Kunststoff. Bei vielen Biokunststoffen, die de facto nur in industriellen Anlagen kompostierbar sind, bleibt die biologische Abbaubarkeit Theorie. Und wenn die Herstellung erneuerbarer Rohstoffe auf intensiver Landwirtschaft mit hohem Wasserverbrauch und Düngemitteleinsatz beruht, bleibt am Ende von der Nachhaltigkeit nicht viel mehr übrig als der Verzicht auf fossile Rohstoffe. Reicht uns das? Eher nicht. Der Preis dafür scheint mir zu hoch zu sein. Das alles spricht eindeutig für den Einsatz von PHAs.
Noch einen Satz zum Schluss?
Wir haben eine klare Haltung: Wir sind überzeugt, dass aus der engen Verknüpfung von Innovation und Nachhaltigkeit die entscheidenden Lösungen für die Zukunft entstehen. Und wir haben diese Kompetenzen im Team, um hier Teil der Lösung zu sein, nicht des Problems. Du weisst selbst, Laura, dass das ein sehr motivierender Faktor unserer Arbeit ist …
.. absolut!
Für mich persönlich kann ich noch sagen, dass die Umwandlung unserer Lieferkette in eine grüne Lieferkette ein Treiber meiner Arbeit ist. Davon träume ich, und nicht nur nachts, darüber hab’ ich wissenschaftlich gearbeitet – und sie ist ein wichtiger Teil unserer Zukunft als Unternehmen. Und dafür steht auch True Biotic. Das Material ist ein Schritt in die richtige Richtung, und ich kann versprechen, dass wir noch weiter gehen werden.
Danke, Alesssandro! Dann freue ich mich schon auf unser nächstes Gespräch!