Wenn es etwas gibt, was die Schweizer besonders gut können, dann ist es graben. Tunnel, Banktresore, Lagereinrichtungen – in einem Land voller Berge ist der Weg in die Tiefe oft die einzige Möglichkeit.
Und das eindruckvollste Grabungsprojekt in der Geschichte der Schweiz ist das nationale Bunkersystem des Landes – ein aus mehr als 5.000 öffentlichen und 300.000 privaten Bunkern bestehendes Netzwerk, in dem mehr als acht Millionen Menschen untergebracht werden könnten. Heute allerdings haben viele dieser Bunker ihren ursprünglichen Zweck überlebt und dienen deshalb neuen Zwecken.
Schweizer Privatbunker, die oft in Kellergeschossen oder rückwärtigen Gärten integriert waren, wurden schon vor langer Zeit umfunktioniert: von Vorratslagern für überlebenswichtige Dinge zu Lagerräumen für all den Krempel, der sich in einer Familie ansammelt. Werkzeuge. Alte Photoalben. Kinderkleidung, aus der die Kinder herausgewachsen sind. Eben all die Dinge, die unsere heutige Welt überschwemmen und gegenläufige Phänomene wie die Lagerlösungen von IKEA oder freudvolle Aufräumaktionen à la Marie Kondo inspiriert haben.
In den letzten Jahren konnte das Militär jedoch auch zahlreiche Bunker an Unternehmer verkaufen, die nicht nur nach einer Unterbringungsmöglichkeit für den Müll unserer Vergangenheit, sondern für Menschen und liebgewonnene Dinge unserer Lebensgegenwart suchen.
Die Schweiz bietet die einzige reale Chance, auf Wolken zu gehen – auf der Cloud, um exakt zu sein. Datenspeicher-Anbieter Detaltis bezog außerhalb Luzerns ein kleines Stück des massiven unterirdischen K7-Bunkers, dessen Struktur einer 20 Megatonnen-Bombe widersteht, um dort die moderne, digitalisierte Version der alten Familienalben von jedermann unterzubringen. Bei Bergwanderungen in diesem Gebeit steht man also buchstäblich auf der Cloud. Andere Akteure haben inzwischen nachgezogen: Tresorräume von Kryptowährungen und die Schweizer Antwort auf Fortknox befinden sich allesamt unter der Erde.
Und für alle, die eher dem Genuss als den Bytes frönen, gibt es in der unterirdischen Welt noch mehr zu entdecken. Die Gourmino Emmentaler AOP Affinage-Anlage mit ihrer 200 m langen Untertunnelung des Bergmassivs Blüemlisalp und dem Blick auf den Fluss Chiene (wenn die einzige schwere Eingangstür offensteht) ist ein umgewidmeter unterirdischer Militärbunker, der rund 6.500 Käselaiber bei perfekter Kühlung und Luftfeuchtigkeit beherbergt. Der Pilzproduzent Gotthard-Pilze nutzt fast ein Dutzend ehemaliger Bunker außerhalb der Stadt Erstfeld, um über 20 Tonnen Shiitake-Pilze pro Jahr zu produzieren.
Sasso San Gottardo beweist, dass alles, was glänzt, nicht (Schweizer) Gold ist, in einem von einer Festung umgebenen Museum, das massive, 1 Meter lange Kristalle zeigt, die erst kürzlich in einer nahegelegenen Kluftz gefunden wurden.
Das Null-Stern-Kurzzeithotel bot eines der ersten Übernachtungserlebnisse in einem ehemaligen Atombunker an, ein stolzes “Null-Stern-Hotel”, das schadenfroh von seiner Klassifizierung lebte (oder auch nicht). Heute ist es ein Museum, aber im Kanton Tessin kann man sogar Bunkeraufenthalte für Geschäftsmeetings, Familienfeiern oder kirchliche Ereignisse buchen (bitte Gruppen ab 20 Personen). Bei Ankunft erhält man eine militärische Einweisung und auf Wunsch läuft eine traditionelle Schweizer Musikkapelle auf, um ein Ständchen zu präsentieren.
Wenn Sie aber von einem unterirdischen Aufenthalt etwas mehr als schieres Überleben erwarten, besuchen Sie doch einmal das Hotel La Claustra, das in einem zurückverwandelten Bunker errichtet wurde, der in den St. Gotthard getrieben wurde – der ist aber natürlich eher bekannt als weiteres Beispiel für Schweizer Grabekunst, nämlich als längster Tunnel der Welt.
Im La Claustra können Sie diese neu entflammte Liebe für Schweizer Bunker aus erster Hand erleben, da die unverwüstbaren Substanzen Gestein und Beton in etwas völlig Unerwartetes und Neues transformiert wurden.
Geniessen Sie die gehobene Küche und den Whirlpool. Fragen Sie einfach nicht nach einem Zimmer mit Ausblick.
Photo credits: Gourmino AG: © Tom Trachsel Photography
La Claustra: © FJMeier Photographie