Hirn lüften!

Soft Fascination, so nennen Rachel und Steven Kaplan den wundersamen Effekt, den das Gehen in der Natur auf unser Gehirn ausübt.

Das amerikanische Forscherpaar hat die Attention Restoration Theory entwickelt, die zeigt, wie sich verbrauchte Aufmerksamkeit wieder aufbauen lässt. Im Alltag, so die Wissenschaftler, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe, zum Beispiel das Schreiben eines Textes. Dabei nimmt die Konzentration mit der Zeit immer mehr ab; umso schneller, je öfter Anrufe, Botschaften oder Mails uns ablenken. Irgendwann sind unsere Aufmerksamkeitsreserven einfach erschöpft, wie eine Batterie bei hoher Beanspruchung. Nichts geht mehr.

Die beiden Kaplans haben herausgefunden, dass sich Hirnareale, die zuständig für Konzentration und Aufmerksamkeit sind, am besten während eines Spaziergangs in der Natur regenerieren. Ein typisches Experiment: Probanden machen Spaziergänge. Eine Gruppe läuft eine Strasse entlang, die andere durch die Natur. Blutdruck und Cortisol-Werte werden gemessen, Konzentrationsfähigkeit und Kreativität der Personen geprüft. Vorher und nachher. Das Ergebnis: Nichts senkt den Stresslevel zuverlässiger als der Aufenthalt in freier Landschaft. Warum?

Die Natur fängt gewissermassen unsere Aufmerksamkeit – ohne dass wir sie gezielt auf etwas richten müssen. Rachel und Steven Kaplan haben dafür den Begriff soft fascination geprägt. Wer je im Wald, im Gebirge oder am Meer seinen Blick absichtslos schweifen liess, der ahnt, was sie damit meinen: Der Blick auf die Natur lässt alle Aufmerksamkeitsmüdigkeit aus unseren Köpfen verschwinden. Mit der Natur scheint es ähnlich zu sein wie mit der Musik. Sie kann im Hintergrund mitlaufen, dabei hebt sie die Stimmung und zerstreut lästige Gedanken.

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Rachel and Stephen Kaplan, The experience of nature: A psychological perspective, 1989.

Photo credits: Daiana Riva

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