Alle Blaumeisen gehören zusammen, irgendwie jedenfalls

Was von ein paar Affen auf einem einsamen Hügel, sagen wir in Afrika,erlernt wurde, setzte sich wellenhaft über den gesamten Planeten fort.

Erlerntes durchdringt eine gesamte Spezies – und gehört dann zum Gedächtnis aller Affen. Der britische Biologe Rupert Sheldrake ist fest davon überzeugt, dass allen Tieren einer Gattung einmal erworbenes praktisches Wissen wie in einer grossen Bibliothek weltweit zur Verfügung steht. Ein wunderbarer Gedanke.

Rupert Sheldrake hat versucht, diese Phänomene in verschiedenen Experimenten nachzuweisen. In Japan lernt eine Affengruppe eine Frucht mit einem Stein aufzuschlagen. Fast zeitgleich kann das auch eine Gruppe im Kongo und eine andere in Neuguinea. In England erlernen Blaumeisen, die Aluminiumkappen von Milchflaschen aufzuhacken, die der Milchmann vor die Haustüren gestellt hat, um so ihren Speiseplan zu ergänzen. In kurzer Zeit öffnen Blaumeisen in ganz England, hinauf bis Schottland, sogar hinüber nach Schweden und Holland Milchflaschen auf diese Weise. Blaumeisen haben einen Flugradius von 15 Meilen. Keine flog nach Schweden und lehrte dort den neuen Trick. Keine kam nach Südengland und schaute von den anderen Meisen ab.

Oder: Ein Hundebesitzer verlässt jeden Tag um 17 Uhr sein Büro, besteigt seinen Wagen und fährt heim. Genau wenn er seinen Wagen besteigt, begibt sich sein Hund, sein Liebling seit 9 Jahren, ans Gartentor und erwartet ihn schwanzwedelnd. An einem Tag fühlt Herrchen sich nicht wohl und verlässt das Büro um 14 Uhr. Sein Hund erhebt sich in der Küche und geht ans Gartentor. Die Frau seines Herrchens lacht, und könnte der
Hund sie verstehen, wüsste er, dass sie sich über ihn lustig macht: Deine Uhr geht falsch, ruft sie. Kurze Zeit darauf rollt der Wagen mit ihrem Mann
auf die Garage zu. Woher wusste das der Hund? Was Meise mit Meise und Affen mit Affen verbindet ist die Tatsache, dass sie derselben Art angehören und dasselbe Gedächtnis der Natur bedienen. Den Herrn verbindet indes mit seinem Hund eine enge Gefühlsbeziehung. Der Hund weiss, wann sein Herr kommt. Es ist kein Einhalten von einmal Erlerntem, es ist eine Verstrickung von Gefühlen und Kontakten, es ist das, was der britische Biologe Rupert Sheldrake morphische Felder nennt, das Gedächtnis der Natur.

Jedes Werkzeug gehört so irgendwie ganz schnell allen: Neu Erlerntes, intensiv Gefühltes überträgt sich in das Bewusstsein aller Tiere einer bestimmten Gattung, seien es Blaumeisen oder Affen oder es wirkt, wie bei Hund und Mensch, gattungsübergreifend … denn wie sonst sollte es möglich sein, dass das geschieht, was so oft eintrifft, dass nämlich genau in dem Augenblick, in dem ich intensiv an einen lange nicht gesehenen Freund denke und beschliesse, ihm einen Brief zu schreiben, das Telefon
klingelt und er dran ist! … oder meine Frau.

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Rupert Sheldrake: A New Science of Life, 1981.

Photo credits: Maurice Walker