Märkte, das waren einmal wunderbare Orte. Hier wurde gehandelt und gelacht, geschlachtet, gebacken, gekocht und genäht.
Orte voller Leben, hautnah und echt. Suks, Bazare und alte Markthallen gehören heute – wie Ausgrabungsstätten und Museen – zu jedem besseren Reiseprogramm. Berlin, Paris und Barcelona tun alles, um sie als Touristenattraktionen zu erhalten. Zeugen einer Zeit, als der Markt noch ein Markt war.
Schon der Supermarkt um die Ecke, auch wenn er so heisst und sich ein „Super“ davor gönnt, ist eigentlich keiner mehr. Gespräche über die Mortadella oder den Reifegrad der Avocado, Begeisterung und Gefühle bleiben eher aussen vor. Online-Shops gehen da nur einen Schritt weiter. Und die Finanzmärkte, die unsere Leben so nachhaltig beeinflussen, sind anonyme Orte, virtuell und fern, die ganz ohne uns auskommen, weil der Austausch von Geld und Waren, das, was man eben auf einem Markt tut, hier schon mit der „unsichtbaren Hand“ von Algorithmen geschieht. Wir werden zu Zuschauern, schauen gebannt auf Kurven, die den Verlauf des Wertes einer Aktie oder eines Derivats anzeigen, heben unser Geld am Bankautomaten ab und bezahlen im e-banking. Und spüren dabei immer mehr ein gewisses Unbehagen.
Wir haben Sehnsucht nach dem Echten, Authentischen, Realen und Vertrauenswürdigen – und je seltener es wird, desto mehr wollen wir es.
Gespräche, wie sie einmal zwischen Käufer und Verkäufer stattfanden, haben sich längst neue Räume und Formen gesucht, finden anderswo statt. Oft zwischen den Käufern selbst, die sich austauchen, online und offline, Informationen und Botschaften aufnehmen, kommentieren und teilen.
Sie haben sich emanzipiert und ihr eigenes System geschaffen. Der Handschlag zur Begrüssung, Begeisterung und Treue, Lust und Vertrauen, all das, was beim Kauf eine Rolle spielt, hat sich verselbständigt. Es zirkuliert losgelöst vom Gespräch mit einem Verkäufer, den man nicht mehr zu sehen bekommt, entsteht und kreist in unserem Kopf und Bauch und sorgt dafür, dass wir trotz allem immer zu wissen glauben, was wir wollen und warum wir es wollen.
Das ist die Welt der Marke.
Sie spielt sich im Kopf des Käufers ab.
Denn mehr als für ein Produkt entscheiden wir uns heute für ein Metaprodukt, etwas, das wichtiger ist, als das Auto oder das Smartphone oder selbst die Nudelpackung. Der Verlust der Authentizität schafft sich sein Double. Dieses Double füllt immer mehr das, was das Verschwinden des Marktes, so wie er mal war, als Lücke hinterlässt: Orientierung, Vertrauen, Gefühl und Zugehörigkeit – und das nach allen Regeln der Kunst. Die Marke gibt uns das Gefühl von Authentizität zurück, das irgendwo auf der Strecke geblieben ist. Um einen bekannten Werbespruch zu bemühen, noch nie war die Marke so wertvoll wie heute.
Marken sind Kommunikation. Und sie leben davon, dass sie im Grunde genauso arbeiten wie der Bäcker in der Markthalle, zu dem ich immer gehen kann, weil ich weiss, dass ich immer dieselbe gute Qualität bekomme. Ihm vertraue ich und freu mich schon drauf, wenn ich länger weg war, dieses wunderbare Stück Brot wieder einkaufen zu dürfen. Marken machen nichts Anderes. Sie sorgen dafür, dass sie anders als alle anderen wahrgenommen werden. Und dieses andere färbt auf mich ab, macht auch mich zu etwas Besonderem, und dafür bin ich dankbar – und bereit, mehr zu zahlen. Dieses Vertrauen darf nicht erschüttert werden, sonst wende ich mich ab. Deshalb ist der Kern jeder Marke, sich selbst treu zu bleiben. Was nicht heisst, dass sie sich nicht ändern darf, im Gegenteil, aber sie muss in allem, was sie tut, als sie selbst erkennbar sein.
Wenn haptische Werbung einen Boom erlebt, dann auch deshalb, weil sie eine Insel des Wirklichen in diesem Meer des Virtuellen ist. Macht sich Wirklichkeit rar, freuen wir uns über alles, was wir erleben und berühren können. Deswegen werden haptische Momente in der Kommunikation immer wichtiger. Sie erlauben uns, mit unseren Sinnen zu prüfen, ob die Marke hält, was sie verspricht. Marken brauchen erlebbare Wirklichkeit, die Vertrauen bestätigt, die keine Abkürzung nimmt, die Zuverlässigkeit und Qualität nicht nur für sich in Anspruch nimmt, sondern den ganzen Weg geht und deswegen glaubwürdig Orientierung bietet.
Darum geht es bei der Marke: Sie schafft Vertrauen und kürzt so den Weg zu einer Kaufentscheidung ab. Genau wie mein Bäcker, der auf mich zählen kann, weil ich genau weiss, was ich an ihm habe.
Photo credits: “La Boqueria” market in Barcelona – iStock