Von Mäusen und Schweizern

Was ist der berühmteste Schweizer Beitrag zum PC-Bereich? Wenn du jetzt antworten würdest: „Das World Wide Web”, hättest du wahrscheinlich Recht, denn es wurde von Tim Berners Lee in den Schweitzer CERN-Laboratorien erfunden. Doch es gibt noch einen weiteren Schweizer Beitrag, er ist zwar nicht so weltbewegend, spielt aber doch eine grosse Rolle, wenn man die Zeit bedenkt, die wir am Computer verbringen: die bescheidene Maus.

Die ersten Mäuse hatten eigentlich mehr etwas von einer Ratte. Nach dem heutigen Standard waren sie eher unhandlich und ungelenk, denn die erste Maus war ein Holzkästchen, das nicht mal annähernd in eine Hand passen wollte. Diese Maus wurde 1963 von Doug Engelbart und Bill English am Stanford Research Institute in Kalifornien erfunden und war für die Messung einer flachen, zweidimensionalen Oberfläche konzipiert worden. An der Unterseite des Kästchens waren zwei Räder im rechten Winkel zueinander eingebaut, mit deren Hilfe man es in einer Richtung über eine Fläche ziehen konnte und dann in die andere Richtung, um auf diese Weise die gesuchten Berechnungen zu erhalten. Wegen des langen elektrischen Kabels und dem einzelnen roten Knopf in einer Ecke der Oberseite des Kästchens wurde es schon früh mit dem Tier verglichen, dessen Namen es noch heute trägt: Maus.

Schon nach wenigen Jahren arbeitete man überall daran, eine bessere Maus zu bauen, neben anderen auch ein gewisser Professor Jean-Daniel Nicoud an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). Zu einer Zeit, als Grosscomputer noch ganze Räume füllten, war Nicoud besessen davon, kleinere Versionen seiner Rechner zu schaffen. So hatte er bereits 1975 eine Serie von PCs mit dem Namen SMAKY erfunden – das stand für SMart Keybord oder Tastatur. Es war zu jener Zeit, als ihn Professor Niklaus Wirth von der ETH Zürich aufsuchte, um mit ihm den Bau einer Computer-Maus zu besprechen, wie er sie gerade auf seinem Sabbatical im Silicon Valley gesehen hatte. Nicoud machte sich an die Arbeit und entwickelte die erste Schweizer Maus.

In Zusammenarbeit mit dem Mikromechanik-Ingenieur André Guignard von Depraz SA, einem gelernten Uhrmacher, schufen sie ein neues Design mit einem eingebauten Hartgummiball, der sich in jede Richtung bewegen liess. Dieser Ball war mit zwei separaten Zahnrädern verbunden, die in einem Winkel von 90° zueinander standen. Ein optischer Encoder erfasste alle Vor- und Zurück- sowie die Rechts- und Linksbewegungen durch einen Lichtstrahl, der durch Schlitze in den Rädern fiel. Dieser Mechanismus – der erste seiner Art – ermöglichte eine weiche und genau Erfassung der jeweiligen Bewegungen. Seine Präzision, Haltbarkeit und Zuverlässlichkeit setzten den hohen Standard für alle folgenden Maus-Designs.

Das patentierte Design wurde von dem Schweizer Unternehmen Logitech zunächst als die Logitech Maus und später als die P4 entwickelt. Die P4, Logitechs erste Computer-Maus und eine der ersten käuflich erwerbbaren Mäuse, kam im Jahr 1982 zum ersten Mal auf den Markt. Sie hatte drei Knöpfe, die in eine handtellergrosse, helle Kunststoffkuppel eingesetzt waren und stellte eine entscheidende Verbesserung ihres kastenförmigen US-amerikanischen Vorläufers dar. Es war der erste Schritt hin zu dem, was wir heute unter Ergonomie verstehen.

Die P4 wurde umgehend zum Erfolg, aber ebenso wie andere Mäuse, die von Logitechs Konkurrenten gebaut wurden, war sie noch nicht voll ausgereift. Diese erste Generation von Mäusen war „dumm“, weil sie kein eigenes Gehirn besass, ausserdem blieb sie für die Bewegungserkennung und Datenverarbeitung vom Computer abhängig, was oft zu mechanischen Fehlern oder Fehlinterpretationen der Signale führte. Das blieb so, bis der Schweizer Logitech-Ingenieur René Sommer herausfand, wie man die Maus „smart“, wie man sie intelligent machen konnte. Dafür entwickelte er eine Maus mit eingebautem Mikroprozessor, der alle Daten im Gerät selbst berechnete, was sie unabhängiger machte, effizienter und vor allem fehlerfrei. Darüber hinaus setzte er die internen Komponenten der Maus neu zusammen und machte sie so kleiner und kompakter, was überdies den Preis senkte.

Sommers Design wurde schnell von Logitech umgesetzt und trug wesentlich zur Geschichte der Maus bei. Sein innovatives Design ebnete den Weg für ihre Einführung auf dem Markt, denn sie war praktischer und benutzerfreundlicher für das breite Publikum geworden. All das trug in grossem Umfang zum Erfolg von Logitech bei, die Maus zu einem allseits beliebten und allgegenwärtigen Werkzeug für den Personal Computer zu machen.

Seit den Tagen von Nicoud, Guignard und Sommer hat sich die Maus zwar ständig weiterentwickelt und verbessert, aber es waren die Schweizer, die die Grundlage in der Geschichte dieses Peripheriegeräts gelegt haben. Mag sein, die Maus ist nicht so sensationell wie das World Wide Web, aber sie ist zweifelsfrei ebenso allgegenwärtig und wichtig und, wer weiss, vielleicht hast du sie ja gerade in der Hand.