Wir Schweizer sind bekanntlich vollkommen in unsere fast 500 Käsesorten vernarrt und regelmässig landen wir auf dem fünften oder sechsten Platz im pro Kopf Verzehr von Käse in Europa. Doch wir sind da nicht allein, die ganze Welt liebt Käse. Michael Spycher, ein Käser aus Fritzenhaus im Emmental, hat noch vor Kurzem die Weltmeisterschaft in einem Käsewettbewerb in den USA gewonnen – zum vierten Mal übrigens, was an sich schon ein Weltrekord ist. Aber am Schweizer Käsehimmel steigt gerade ein neuer Star auf und dieser Käse wird aus Cashewnüssen hergestellt.
Tatsächlich sind weniger als ein Prozent der Schweizer Veganer, aber veganer Käse beginnt sich im In- und Ausland immer grösserer Beliebtheit zu erfreuen. Dies ist wachsenden Unternehmen wie zum Beispiel New Roots: Vegane Molkerei in Oberdiessbach in der Nähe von Zürich zu danken. Das 2015 gegründete Unternehmen ist bereits seit dem ersten Jahr profitabel und der hier hergestellte vegane Camembert und ihr Fondue, beide aus fermentierter Cashew-Milch und nach den traditionellen Regeln der Schweizer Käseherstellung gereift, finden sich auf den Regalen von Supermarktriesen wie Coop und Migros.
Der vegane Käse von New Roots kommt überdies mit starkem Umweltbewusstsein daher. Man steht der Milchindustrie offen kritisch gegenüber und versichert, für die Herstellung ihrer Produkte würden keine Tiere ausgenutzt werden. Und obwohl die hier verwendeten Rohstoffe von weit jenseits der Alpen stammen, garantiert das Unternehmen, dass ihre Cashewkerne fast dreimal weniger CO2 produzieren und 40 % weniger Wasser verbrauchen als heimische Milch. Überdies arbeitet das Unternehmen mit Fair-Trade Spezialisten zusammen und stellt sicher, dass die verwendeten Cashewkerne aus ethischen Quellen stammen.
In immer neuen und innovativen Bestrebungen hat man schon damit begonnen, über Cashews hinaus zu denken und plant für die Herstellung einer grösseren Produktpalette pflanzliche Rohstoffe vor Ort zu verwenden. Kürzlich gewann New Roots für ihr veganes Raclette aus hauptsächlich Kichererbsen und Lupinenbohnen den ersten Patz bei den Swiss Vegan Awards.
Zwar ist New Roots in gewissem Sinn ein Pionier, trotzdem kann man sagen, dass die Schweiz über hundert Jahre alte Wurzeln in der Tradition pflanzlicher Ernährung vorweisen kann. Die nudistischen, vegetarischen Reformer des Monte Verità, im Tessin zu Beginn des vorigen Jahrhunderts und, nach den Daten des Guinness Buchs der Rekorde, das älteste vegetarische Restaurant der Welt, Haus Hiltl in Zürich, legen Zeugnis dafür ab.
Doch mit der Fortführung dieser auf Pflanzen basierten Schweizer Traditionen in einem neuen, hochtechnisierten Jahrhundert steht New Roots nicht allein. Planted ist eine weitere Schweizer Erfolgsgeschichte in diesem Bereich. Das 2019 als Foodtech-Ableger der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) gegründete Unternehmen, verkauft veganes Hühnerfleisch, Burger und inzwischen auch „fermentiertes Steak“. Und eins der Fast-Food Lieblingsgerichte der Deutschen, die als vegane Currywurst angebotene Bratwurst, wird Bahnreisenden mit der Deutschen Bundesbahn als Imbiss serviert.
Es versteht sich, dass auch vegane Lebensmittel ihre Kritiker gefunden haben. Während der letzten paar Jahre sind in der Schweiz, in Europa und in Amerika wahre Kriege über den legalen Schutz von Begriffen wie „Milch“, „Käse“, „Fleisch“ und „Burger“ entbrannt, denn man betrachtet deren Verwendung für vegane oder vegetarische Produkte als Übergriffe. In den meisten Fällen jedoch haben die traditionellen Fleisch- und Molkereiindustrien die angestrebten Prozesse verloren.
Für junge, auf pflanzliche Ernährung basierte Start-ups, die für ihre Erzeugnisse Begriffe verwenden, die wir ehemals ausschliesslich mit tierischen Produkten assoziierten, ist deren Verwendung eine wichtige Waffe im Kampf um die Neuorientieren der Menschen, sich zumindest der Möglichkeit zu öffnen, nichttierische Ersatzprodukte für ihre Lieblingsspeisen zu verwenden. Die Zielgruppen dieser Unternehmen sind nicht nur strikte Veganer oder Vegetarier, sondern auch Flexitarier, die ihren täglichen Verzehr von Fleisch- und Molkereiprodukten senken wollen, natürlich gehören dazu auch solche Menschen, die wie im Falle von Käse, unter einer Laktoseintoleranz leiden.
Die Schweiz wird bei internationalen Wettbewerben und in der allgemeinen Wahrnehmung zu Recht für ihre starke Milchkäsetradition anerkannt. Doch die Welt wird auf ihrem Teller schon bald mehr Platz für eine andere Schweizer Tradition schaffen müssen: eine auf Pflanzen basierte Ernährung.