Manche Dinge liegen wirklich in der Familie, seien das jetzt blaue Augen, rote Haare oder einfach nur eine Vorliebe für Steine. Durch seine Kunst hat Hirotoshi Ito die Bedeutung eines Familienerbes völlig neu definiert. Was ist sein Ziel? Ein vollkommen neuer Blick auf die Welt.
Es beginnt mit Steinen. Hirotoshi wurde 1964 in eine alte und traditionsreiche Familie hineingeboren, die seit fünf Generationen mit Steinen arbeitet. Und obwohl er den Familienbetrieb übernehmen wollte, führte ihn sein Interesse an Kunst nach Tokio, wo er die Kunsthochschule besuchte.
Zunächst interessierte sich der Künstler für Metallarbeiten und in seiner Studienzeit entwickelte er ein tiefes Verständnis für Bildhauerei ganz allgemein, das weit über die technischen Fertigkeiten hinausging, die er in seiner Familie gelernt hatte. Doch schon bald kehrte er zurück zu seinen Wurzeln.
Heute ist er für seine eindrucksvollen Steinskulpturen bekannt. Einige von ihnen stellen grosse Öffnungen mit aufgezogenen Reissverschlüssen dar, die so gearbeitet sind, dass sie wie aufgerissene Mäuler aussehen, die ein realistisches, fast breites Grinsen zeigen oder sie weisen surrealistische Szenen mit Maschinen und Bergbau auf. Wieder anderen präsentieren den Stein als biegsames, weiches Material in der Form eines Stück Kuchens oder eines gefalteten Hemds.
Künstliche Materialien beschäftigten ihn nicht mit derselben Intensität wie natürliche. Es war nicht sein Anliegen, eine eigene Leinwand zu schaffen, er wollte seine Leinwand finden. Wenn man so will, wollte er darüber stolpern. Indem er verschiedene Materialien miteinander verschmolz, suchte er neue Inspirationen, die sich in Form von Linien und Rissen auf den Oberflächen der Steine zeigen, die er für seine Arbeit verwendet.
Indem er die vollkommene Kontrolle über jeden einzelnen Aspekt seiner künstlerischen Arbeit aufgibt, wirft Hirotoshi die Frage auf, ob ein Künstler sie überhaupt je hatte. Es mag sein, dass Hirotoshi für die Wahl seiner künstlerischen Mittel verantwortlich ist, aber gleichzeitig sind er und sein Schaffen vor allem auch das Ergebnis all seiner durchlebten Erfahrungen. Heute arbeitet er auf eine völlig andere Art und Weise mit Stein als seine Familie, aber er tut es immer noch mit Stein.
Was ist also letztendlich die Bedeutung seiner Arbeit für uns als Publikum? Ist es einfach nur die Kunst, den Zauber darzustellen, der im scheinbar Alltäglichen liegt? Vielleicht bis zu einem bestimmten Grad. Doch durch sein wissendes, unverhülltes Lächeln hinter aufgerissenen Reissverschlüssen, fordert er uns wohl auch dazu heraus, nach anderen Werten in der Welt zu suchen, die uns umgibt. Nach Dingen, die nicht unbedingt immer auch mit Schönheit gleichzusetzen sind.
Doch ganz gleich, wie wir Hirotoshis Werke betrachten, unbestreitbar bleibt, dass sie eine verstörende Ausdruckskraft besitzen. Wenn wir auf bekannten Oberflächen ungewohnten Szenen ausgesetzt werden, machen wir uns unwillkürlich auf die Suche nach vertrauten Aspekten. Denn schliesslich bleibt jede Bedeutung, die wir der Kunst abgewinnen, verbunden mit allem, was wir wissen und kennen und bisweilen sind das Steine.