Verfühlen geht nicht!

Olaf Hartmann hat sich mit seiner Agentur Touchmore auf haptisches Marketing spezialisiert. Er meint, da geht noch was. Ein Gespräch.

Herr Hartmann, Sie haben sich noch nie verfühlt?
Olaf Hartmann: (Lacht) Nicht wirklich, zumindest nicht mit meinen Händen!

Aber was bedeutet konkret Ihr sehr griffiger Satz „Wir können uns nicht verfühlen!“?
Dieser Satz beschreibt eine subjektive psychologische Tatsache. Beobachten Sie sich einfach mal beim nächsten Einkauf im Supermarkt. Wann setzen Sie Ihren Tastsinn ein? Sie werden es häufig dann tun, wenn Sie den Wahrheitsgehalt einer visuellen Wahrnehmung überprüfen wollen. Bei einer Kiwi zum Beispiel oder einer Avocado. Sieht sie nur lecker aus oder wird sie ihr Versprechen einlösen? Das prüfen Sie mit Ihren Fingern – in Bruchteilen von Sekunden und ganz automatisch. Wir wissen aus Erfahrung, dass wir uns nicht allein auf unsere optische Wahrnehmung verlassen können, deswegen fühlen wir nach. Wissenschaftler bezeichnen den Tastsinn deshalb auch als Wahrheits-Sinn. Mit unseren Händen „begreifen“ wir unsere Umwelt. Wir spüren sie und vertrauen dem, was wir fühlen.

Das gilt auch für Hapticals?
Hapticals nenne ich Objekte, die durch Gestaltung und Branding ein Markenversprechen transportieren oder einen Produktnutzen erlebbar machen. Sie tragen dazu bei, ein akutes Problem unserer optisch und akustisch überreizten Zeit zu lösen: die immer stärker werdende Werbemüdigkeit. Werber und Vermarkter konzentrieren sich häufig nur auf bi-sensorisches Marketing. Bis zu 13.000 Werbebotschaften berieseln uns täglich in Fernsehen, Internet, Radio, auf Plakaten – überall. Wir sehen und hören sie, aber berühren sie uns? Wir wissen heute, dass mit jedem zusätzlichen Sinn mit dem ich eine Botschaft wahrnehme, meine Gehirnaktivität um 1000% steigt. Das bedeutet, dass wir Botschaften, die wir über mehrere Sinne wahrnehmen, nicht nur implizit schneller verstehen, wir behalten sie auch länger und empfinden sie als glaubwürdiger. Hapticals sind multisensorische Markenbotschafter und geben dem Menschen, was er bei anderen Kommunikationsformen nicht bekommt: Sie schaffen fühlbare Erlebnisse.

Was zeichnet ein gut gemachtes Haptical aus?
Richtig integriert, wirken Hapticals im Marketing wie eine Brausetablette in einem Glas Wasser. Sie erhöhen nachweislich die Kampagneneffizienz, steigern Responsequoten und Verkaufserfolge. Mit dem Haptik-Effekt erzeugen Sie mehr Aufmerksamkeit, verankern Ihre Botschaft tiefer, machen die Eigenschaften Ihres Angebots konkret erlebbar, aktivieren positive Assoziationen und schaffen so mehr Kaufbereitschaft.

Aber sind wir nicht immer und überall taktilen Reizen ausgesetzt?
Wir können tatsächlich nicht nicht sensorisch kommunizieren, selbst wenn wir es wollten. Jedes Unternehmen sendet ständig sensorische Signale durch die Wahl eines Papiers, die Materialien, die im Messebau eingesetzt werden oder auch die Oberfläche eines Werbekugelschreibers. Die Frage ist, ob diese Signale im Sinne der Marke gesteuert werden oder nicht. Die neuropsychologische Forschung kommt klar zu dem Ergebnis: Wer die Effizienz seiner Kommunikation steigern will, der muss die eigene Markenoder Produktbotschaft ganzheitlich, sinnlich erfahrbar machen. Dabei ist eine möglichst hohe Kongruenz unverzichtbar. Auch scheinbar unwichtige, kleine sinnliche Eindrücke müssen stimmig zusammenspielen, denn nur ganzheitliche Marken- und Produkterlebnisse führen zum Erfolg. Das Management der Details macht Marken erfolgreich.

Das klingt anspruchsvoll.
Es verlangt genauso viel Wissen, Kreativität und Urteilskraft wie andere Marketing-Disziplinen. Insbesondere weil Hapticals immer im Kontext anderer Marketingmassnahmen zum Einsatz kommen. Als Mailingverstärker im Dialogmarketing, als Ansprachehilfe auf Messen und im Verkauf, als Incentive im Bereich der Kundenbindung oder sogar als das zentrales Element einer Kampagne. Deswegen sollten wir aufhören von Werbearti-keln, Streuartikeln oder Give-aways zu reden. Diese Begriffe werten das grosse Potential gegenständlicher Werbeträger ab. Es geht hier nicht um eine Nice-to-have Massnahme, sondern um eine Notwendigkeit: Gut konzipierte und richtig eingesetzte Hapticals erhöhen nachweislich die Effizienz des Marketing-Mix und sind deshalb Must-haves für jedes Unternehmen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hartmann.

Olaf Hartmann (44) ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Touchmore, Mitbegründer des Multisense Instituts und einer der Autoren des Marketing-Bestsellers „Touch!”, der ersten Beschreibung des Haptik-Effektes im multisensorischen Marketing.

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